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sei, auch manches hübsche Mädchen gesehen, und dennoch keine Frau gefunden habe.

Gelächter sämmtlicher Damen unter Assistenz einiger Herren; der Spießbürger fuhr mit einem köstlichen Schaafsgesicht fort, während sein Kopf wie ein betrübtes Lämmerschwänzchen hin und her wackelte: „Verstehen Sie mich aber recht, meine werthesten Herrschaften, die Mädchen wollten mich wohl, aber ich wollte die Mädchen nicht, weil sie mich nur wegen meines Geldes haben wollten.“

Bei diesen Worten fielen alle Blicke auf den eleganten Schlafrock, den dieser schäbige Gentleman wieder über seine Kniee gebreitet hatte; das Lachen war aber schon etwas gedämpfter, schon innerlicher, der Respect vor dem Gelde schloß schon ein wenig den Leuten beiderlei Geschlechts den Mund. An dem pfiffigen Schmunzeln des Philisters merkte ich, daß auch er diese Wahrnehmung gemacht hatte und daß er ein listiger Schalk war. Er fuhr in echt sächsischem breiten Dialekte fort: „Ich bin ein Tuchmacher aus L., mein Onkel hat mir in D*** ein schönes großes Haus hinterlassen, was ich vermiethet habe; außerdem hat er mir auch viel baares Geld hinterlassen; das macht mich aber alles nicht glücklich, wenn ich nicht weiß, daß mich eine Dame aus Liebe heirathen möchte.“

Jetzt sahen ihn Alle mit staunenden Blicken an und in den Mienen der Damen erkannte man durchaus keinen Abscheu mehr, als er fortfuhr: „Leider bin ich kein Modeherr, aber gewiß kein schlechter Geschäftsmann, denn ich habe soeben in Breslau für sechstausend Thaler Wolle gekauft, ich habe auch noch, trotzdem ich sie baar bezahlt habe, hier in meiner Brieftasche sechstausend Thaler Werthpapiere und auch in L. ein schuldenfreies Haus mit einem bedeutenden Geschäft.“

Als er jetzt ganz dummdreist eine strotzende Brieftasche öffnete und hinzeigte, fielen die Damen wie hungrige Geier darauf, und eine alternde Schönheit sagte flötend: „Einem würdigen Manne wird es niemals an einer liebenden Gattin fehlen!“

Das war wieder für die Herren das Zeichen zum Lachen, in welches selbst die Damen lustig einstimmten, als sie die Verlegenheit der Heirathslustigen bemerkten, während der Sonderling mit großer Genugthuung sein Portefeuille wieder einsteckte. In Görlitz zerstreute sich die ganze heitere Gesellschaft, doch hatte ich genug an den belustigenden Erinnerungen für die noch übrigen Stunden meiner Reise.