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die Einwilligung der Eltern und Verwandten erlangt. Denken Sie sich, Verehrteste, nichts stand dem beseligenden Glücke Hansens und Liesens mehr im Wege, alle drei Aufgebote waren bereits erfolgt und die Hochzeit sollte bei den reichen Eltern der schönen Braut drei volle Tage dauern. Der Trauungstag ist erschienen, ein glänzender Kreis von Freunden und Vettern und Muhmen hat sich versammelt, Küche und Keller entsenden ihre lieblichen Düfte, Schalmey und Fiedel ertönen gar fröhlich. Der Brautzug setzt sich endlich, nachdem manches Glas provisorisch geleert, manches Stück Kuchen auf Abschlag verzehrt worden ist, in Bewegung, die Musikanten voraus, nur schweigen noch zu männiglicher Verwunderung die hehren Kirchenglocken. Jetzt tritt der Schulmeister und Küster aus seiner Amtswohnung den Nahenden mit freundlicher Feierlichkeit entgegen und führt sie nach dem Gotteshause, wo der Pfarrer eben im Ornat erscheint und den geistlichen Gehülfen verwundert[WS 1] fragt, warum man nicht läute und die Tempelpforten noch geschlossen seien? Da kommt plötzlich ein tragikomisches Geheimniß an den Tag. Die Kuh des Schulmeisters hatte Tages vorher den Klöppel aus ihrer Glocke verloren, was man heute früh hatte ausgleichen müssen; und so war denn der gute Lenker der populären Bildungs-Anstalt auf den Gedanken gerathen, einstweilen den Kirchenschlüssel als Klöppel zu benutzen, und hatte leider die ganze Sache nebst dem Brautgeläute rein vergessen, als die unerwartete Katastrophe eintrat. Jetzt entsteht ein gräulicher Lärm und Gelächter, die Jungen wie die Alten verlangen die Trauung, aber da die Heerde, in welcher die Kuh des Schulmeisters mit auf die Weide ging, sogleich nicht zu finden war, so mußte die Einsegnung bis zur Rückkehr derselben am Abend verschoben werden. Nun entscheiden Sie, welche Geschichte ist abgeschmackter, die erste oder die zweite?“

Der junge Mann, einer der größten Komiker, die mir vorgekommen sind, brachte auch in der That den Spießbürger auf der nächsten Station in Folge allgemeinen Verlangens in’s Coupé, ganz in dem beschriebenen Costüm. Leider brachen wir bei seinem Anblick in ein allgemeines Lachen abermals aus, wodurch das Original gewarnt wurde. Es war jedoch gar nicht so dumm, wie es aussah, sondern brachte uns sämmtliche Damen zur Strafe für unseren Hohn nach kurzem Ueberlegen in die Lage, Gelächter zu erregen. Der anscheinende Dümmling fing nämlich alsbald zu erzählen an, daß er in Breslau zur Brautschau gewesen

  1. im Original: verwundet