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In der dritten Abstufung des Gartens, dem Thale, erhebt sich ein zirkelrundes fensterloses Gebäude im Umfange von funfzig bis sechszig Schritten, an welchem man außer einer kleinen, stets verschlossenen Pforte keine Oeffnung bemerkt. Diese ist nach dem Lustschlosse Lazienki, den Kavallerie-Casernen und dem nach der Weichsel führenden Ausgange des Gartens gerichtet. Es wird behauptet, dieses Gebäude verberge den Ausgang eines unterirdischen, vom Schlosse führenden Ganges, den auch der Großfürst Constantin beim Ausbruche der Revolution zur Flucht benutzt habe. Allein Unbefangene meinen, es sei nichts weiter, als der höchst harmlose Aufbewahrungsort für Apparate und Gartengeräthschaften.

Dieser köstliche Spaziergang ist dem Publikum stets geöffnet, er wimmelte von Besuchern, aber leider bietet er weder dem Durstigen noch Hungrigen eine Restauration, worüber manche Klagen laut wurden. Wir fühlten jedoch kein irdisches Bedürfniß, sondern verließen den Garten völlig befriedigt, ja entzückt, und begaben uns sofort in das hinter demselben liegende Lustschloß Belvedere, welches der Großfürst Constantin erbaute und zu seinem Lieblingsaufenthalte machte. Belvedere ist ein auf dem äußersten Abhange gelegenes schönes Parterre-Gebäude, vor ihm breitet sich auf dem Plateau ein umgitterter, mit Linden bepflanzter großer Plan aus, an dem sich eine schöne Allee hinzieht; dieser zur Seite, dem Schlosse gegenüber, liegen die gewaltigen Gebäude des großfürstlichen Marstalles und Marschallamtes. Das Schloß enthält außer mehreren schönen, mäßiggroßen Sälen, in welchen sich einige gute Gemälde befinden, mehrere weite Zimmer, von denen das Lieblingsgemach Constantins das einfachste ist. Die Wand ist weiß tapezirt, und prunklose Mahagonimöbel nebst mehreren kleinen Marmor-Statuetten bilden den einzigen Inhalt. In der langen inneren Wand ist der einfache offene Kamin angebracht; gegenwärtig benutzt man es blos bei den Festgesellschaften des Fürsten P. und beim Empfange fürstlicher Personen. Die Anlagen, welche zum Schlosse gehören, breiten sich hinter demselben aus und bestehen aus einem großen Park mit zahlreichen Wegen, Ruheplätzen und einer reizenden Aussicht über die herrlichen Anlagen und das Weichselthal. Im Gebüsche des fernsten Hintergrundes, dicht an einem langen Teiche, über welchem sich dem Auge ein reizendes Gartenbild öffnet, liegt eine künstliche Grotte, von zwei wasserspeienden Löwen bewacht, in welcher Constantin halbe Tage mit seiner geliebten Gemahlin