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Lustschlössern zu gewinnen, benutzte daher einen reizenden Sonntag, um mit meinen Freunden zunächst nach dem botanischen Garten zu fahren. Ueber die neue Welt, die Prachtstraße Warschaus, wo wir zu beiden Seiten neue opulente Gebäude erblicken und einem bunten Gewühle russischer, polnischer, deutscher, französischer und englischer Fuhrwerke begegnen, über den neuen Weg – die schöne, Warschau durchschneidende Chaussee, – an der kleinen, aber schönen, tempelförmigen Alexander-Kirche vorüber und durch die nach dem Lustschloß Belvedere führende Linden-Allee begeben wir uns zu diesem Ueberbleibsel der untergegangenen Universität. Der Garten hat einen Umfang von beinahe dreiviertel Stunden und liegt mit einem Dritttheil seiner Größe auf einer Hochebene, mit einem Dritttheil auf einem gegen Osten gewendeten sanften Abhange, und mit dem übrigen im Thale. Sein Grundriß ist ein sehr achtenswerthes Werk des Obersten Alphons, der nicht nur als Gartenkünstler, sondern auch als Baumeister in einem hohen Rufe steht. Die Hälfte der Hochebene prangt im Sommer mit den seltensten Gewächsen und Blumen, welche in phantastischen, aber geschmackvollen Gruppirungen arrangirt sind. Ein Theil des Gartens enthält die blüthen- und duftreichsten exotischen Gesträuche, durch die sich eine Menge zierlicher Wege schlängeln. Eines der zahlreichen umfänglichen Treibhäuser dieses Gartens ist einzig der Erzeugung edler Südweine gewidmet. Auf einem nach Süden schauenden Abhange zieht man auch deutschen Wein, der jedoch wegen des Klima’s nicht sonderlich gedeiht. Die Pflege des Gartens ist vortrefflich, weil ihn die russische Regierung als ein Zubehör des nebenanliegenden Lustschlosses Belvedere nach Aufhebung der Universität betrachtet und ihm ihre reichen Mittel in Verbindung mit sorglichster Aufmerksamkeit widmet.

In der Mitte des Gartens auf der Hochebene zeigt sich die Sternwarte, ein großes glänzendes Gebäude, das weniger einem Tempel der strengen Göttin Pallas Athene, als einem Feenschlosse gleicht. – Aus dem Dache dieses reichverzierten Bauwerkes erhebt sich ein gebrochener, mit einer Zinne gekrönter Thurm, von welchem aus man eine umfassende Aussicht auf die kaiserlichen Lustschlösser, das weite Weichselthal, Praga und Warschau genießt. Von diesem Gesichtspunkte aus verlieren sich alle die elenden Hütten aus dem Auge, wie die Mängel ausgezeichneter Menschen in der Entfernung, und nur ein harmonisch schönes Bild tritt ihm entgegen.