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des Gesichtes entspricht ganz dem starken Geiste, welcher den Erdball fortschleuderte und die Sonne fest hielt. Bewundernswürdig ist der Faltenwurf des Gewandes. Thorwaldsen und Tatakiowicz haben 1830, also 300 Jahre später als Kopernikus sein Welt-System verkündete, das Denkmal geschaffen. Der Platz, auf dem es steht, war ihm ehedem sehr entsprechend, denn es steht vor dem Palaste Joseph Poniatowski, welcher „die Gesellschaft der Wissenschaften" umfaßte; aber Rußland vernichtete diese und ließ ihre Bibliothek nach St. Petersburg schaffen. – Die Krakauer Vorstadt, eine halbstündige Straße, präsentirt an jedem ihrer Enden ein Denkmal. Geht man von dem des Kopernikus hinab bis zum Ende, wo sie in die Podwalstraße übergeht, so begegnet man einer Menge colossaler alter Adels-Paläste, fünf prachtvollen Kirchen, dem Postgebäude, und trifft zuletzt auf die herrliche Gedenksäule Sigismund III., welcher Warschau zur polnischen Residenzstadt erhob. Es gilt für das werthvollste Denkmal Warschaus. Aus einem umfangreichen viereckigen Postamente von Granit steigt eine schlanke Marmor-Säule empor, auf deren nach allen Seiten sie weit überragenden viereckigen Marmorkrone die aus Bronce gegossene und vergoldete Statue Sigismunds steht, in der rechten Hand das Schwert, in der linken das Kreuz haltend. Mit einem tiefen, stolzen Herrscherblicke schaut der alte königliche Stilit über die Stadt hin, als wolle er sie für alle Ewigkeit beherrschen, und scheint nicht zu wissen, daß sie schon längst eine russische Hauptstadt ist. Die Größe des Postamentes, die zarte Schlankheit der Säule mit ihrer ungeheueren Krone und dem Broncekoloß machen eine so überwältigende Wirkung auf den Beschauer, daß man zunächst fragt, wie das schlanke, über 50 Fuß hohe Werk aus eigenen Kräften stehen kann? Man ist optisch getäuscht, die dünne Säule scheint zu wanken, die Bildsäule scheint sich zu bewegen, als wolle sie zürnend herabsteigen, um zu fragen, was die schmucken Moskoviter-Nasen in Warschau wollen? So lange diese beiden Monumente noch stehen, darf die Regierung keinen Augenblick sicher sein, denn sie sind eine ewige Quelle des Patriotismus. Kein Pole geht an ihnen vorüber, ohne einen düster-glühenden Blick darauf zu werfen, viele murmeln Flüche, manche knirschen mit den Zähnen oder beißen in den Schnurrbart.

Um zwei Uhr kehrten wir zu unsern Studien zurück in das **-Ministerium, über dessen Bauart beiläufig bemerkt sei, daß dieser Palast an seinen beiden Enden einen hervorspringenden Flügel hat,