Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/320

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

aus dreien bestand, nämlich aus dem Minister und seiner Schwester, seiner ältesten Tochter mit ihrem Manne und ihrer Familie, und seiner jüngeren Tochter mit der ihrigen, wieder im Frühstück-Saale, wo man jetzt ein Gabelfrühstück genoß. Dieses bestand aus mehreren Schüsseln Fleisch mit Gemüsen, und einer Menge Appetit erregender Delicatessen. Bei günstigem Wetter gingen wir spazieren, bei ungünstigem machten wir uns in den vielen prachtvollen Sälen und Zimmern des Palastes Bewegung, denn diese waren alle durch treffliche Luftheizung erwärmt. Das herrliche Lokal war so vertheilt: Im Erdgeschosse wohnte die älteste Tochter des Ministers, im ersten Stocke dieser mit seiner Schwester und wir. Der Palast ist kaiserlich, und die ganze Schaar der Dienerschaft ward von der Regierung besoldet. In jedem Zimmer stand eine Büste des Kaisers Nicolaus, und in einem der Prunksäle hing sein kolossales, unübertrefflich schönes Bild in Lebensgröße. Ein Zimmer hieß das türkische und war ganz mit seidenen Draperieen austapeziert, welche an der kuppelartigen Decke zusammenliefen. Einige Säle waren mit schönen Fresken, andere mit lieblichen Reliefs verziert; prachtvolle Kron- und Arm-Leuchter, Consolen, Spiegel, kostbare Möbel, Porzellane, Vermeil und künstliche Nippsachen, seidene Gardinen, welche überall im verschwenderischen Maaße prangten, bekundeten einen fürstlichen Reichthum, zugleich aber auch die Verdorbenheit des slavischen Geschmackes, welcher der Ueberladung mit Luxus entschieden huldigt. Denkt man nun zu dieser Herrlichkeit hinzu, daß in den fünfundzwanzig Gemächern jedes Stockwerkes eine immer gleiche Frühlings-Temperatur herrschte, so wird man die Versicherung gewiß glauben, daß ich mich in Italien zu befinden wähnte. – Unter dem Palast befindet sich die Münze und daneben die Bank, so daß ich oft Gelegenheit hatte, die großen Karren voll Gold aus der ersteren in die letztere schaffen zu sehen.

Einen höchst unangenehmen Eindruck machte die Erscheinung der beiden Schwestern, zweier zwergartigen, grundhäßlichen Personen von sehr gewöhnlichem Aussehen, die trotz ihrer Ueberfülle von Putz den jüdischen Trödlerinnen glichen. Dasselbe gilt von ihrer Tante. Häßlich mag nun meinetwegen der Mensch sein, so viel er will, wenn er die Häßlichkeit des Körpers nur durch Schönheit des Geistes aufwiegt, dann kann er sogar in hohem Grade liebenswürdig sein; aber Gemeinheit der Erscheinung stößt immer ab. Herr S. und sein Schwager hingegen waren stattliche Männer, welche seltsam mit ihren Ehehälften contrastirten,