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Angabe ihres Alters zu bitten und sie bezüglich ihrer Bedingungen zu fragen. Schließlich sollte ich auch ihr meine näheren Verhältnisse mittheilen, d. h. eine unmittelbare Correspondenz mit ihr eröffnen. Hier durchschaute ich aber augenblicklich Frau M.’s Intriguenspiel, und folgte fortan meinen eignen Eingebungen.

Madame V. antwortete, wie zu erwarten stand, ausweichend in Bezug auf ihr Alter, während sie den Gehalt offenbar zu hoch angab, sprach jedoch ihre Freude darüber aus, eine D…in persönlich kennen zu lernen. Frau M., die sich auf Angabe des Alters durchaus capricirte, ließ durch mich eine abermalige Anfrage an Madame V. richten, deren Beantwortung nichtsdestoweniger dasselbe Resultat hatte als die zuerst an sie gerichtete. Dadurch gewann die ganze Sache in Frau M.’s Augen aber nur noch mehr an mysteriösem Reiz, und, da sie sah, daß hier auf geradem Wege Nichts auszurichten sei, so suchte sie allerhand Schleichwege auf, um zu ihrem Ziele zu gelangen.

Sie sendete zunächst Madame V.’s Handschrift zu einem berühmten Schriftdeuter nach London, dessen ungenügende Aufklärung sie indeß bestimmte, jene Verbindungen und Connexionen zu benutzen, welche ihr und ihrer Familie massenweise zu Gebote standen. Und wirklich gelang es ihr durch einen Agenten in London, der zahlreiche Annoncen unter der Bedingung persönlicher Vorstellung erlassen mußte, die erwünschten Aufschlüsse zu erhalten. Madame V. hatte auf eines dieser Gesuche reflectirt, was ihr das Signalement seitens des Agenten eintrug, sie sei eine Frau in den funfziger Jahren von kokettem Betragen und emancipirten Ansichten. Frau M. schien durch diesen Bescheid zufriedengestellt, denn sie ließ die ganze Sache fallen.

Endlich rückte unter unzähligen Widerwärtigkeiten der Kündigungstermin heran, meine Habseligkeiten waren gepackt und ich erwartete mit Freuden und Ungeduld die Stunde meiner Abreise. So glatt sollte es aber doch nicht ausgehen, wie ich es mir einbildete, denn Herr und Frau M. weigerten sich schließlich, ihre eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Auch würde ich in der That eine für meine Verhältnisse beträchtliche Summe eingebüßt haben, hätte mich davor nicht ein schriftlicher Contract geschützt, den ich nun zu meinem Verdrusse wieder aus dem Chaos der Effecten und Reiseutensilien herauswühlen mußte. Trotz dieses Rechtsmittels verweigerte mir Herr M. dennoch die Hälfte des Reisegeldes, aber ich zog es vor, diesen ungentilen Leuten damit