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leider aber freilich keine Mittel, um in Schottland bleiben und klagen zu können, und dann hätte er auch nach Edinburg reisen müssen, denn in S… war M. selbst Magistrat. Gewiß ahnete der edle Unterdrückte nicht, daß die Ergießungen seines gerechten Zornes einst der Oeffentlichkeit würden übergeben werden.




Neunundzwanzigstes Kapitel.




Frau M. hatte seit meiner Kündigung fortwährend mit allerlei Gouvernanten correspondirt. Einst kam sie zu mir und sagte: „Heute erhielt ich den distinguirtesten Brief von allen, die ich seither empfing! Sehen Sie einmal, ob er nicht eine Pracht-Composition ist und ob nicht die Verfasserin desselben eine höchst ausgezeichnete Person sein muß?“

Ich las den Brief, der in französischer Sprache abgefaßt und E. V. unterzeichnet war; ich bedauere, keine Abschrift davon zu haben, er war an Großsprecherei ein Thurm zu Babel. Als Qualification nannte die Dame meisterhaftes Clavierspiel, Zeichnen, deutsche Sprache, Französisch, Italienisch, Polnisch und Russisch nebst den gewöhnlichen Wissenschaften. Von sich selbst sagte sie, daß sie eine ausgewanderte Polin und ihr Gemahl beim letzten Bauernaufstande in Galizien, wohin er seiner Güter wegen zurückgekehrt gewesen, ermordet worden sei, daß der Verlust derselben sie genöthigt habe, sich eine Subsistenz zu gründen, daß der Name V. ein angenommener sei, weil sie den hohen Familiennamen ihres Gatten nicht herabwürdigen wolle. Schließlich sprach sie von allen europäischen Höfen als von ihrem eigentlichen Elemente, speziell nannte sie aber alle Mitglieder der königlichen Familie von … als ihre besonderen Gönner und Freunde, bedauernd, durch ehrenvolle Motive verhindert zu sein, ihren wahren Namen zu nennen.

Ich konnte nicht umhin, das Geheimnißvolle und Prahlerische dieser Epistel zu belächeln. Frau M. bat mich sogleich in ihrem Namen an Madame V. in deutscher Sprache zu schreiben, sie um die genaue