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ihr ein Unterkommen zu verschaffen. Mehrere Damen wünschten sie zu sehen, aber immer kam sie mit abschläglicher Antwort zurück. Nachdem ich sie vierzehn Tage lang erhalten und einst wieder nach einer Stelle ausgeschickt hatte, kehrte sie nicht zurück, und schon war ich in Sorgen, daß der Unglücklichen ein Unfall zugestoßen sei, da bemerkte ich zu meiner Beruhigung, daß sie mein Bureau erbrochen und mehrere Goldstücke gestohlen hatte. Glücklicher Weise hatte ich mein Geld in der Bank, sonst wäre es vollends in Madame I… Tasche spaziert. Ich habe von dieser dankbaren Seele nie wieder etwas gehört noch gesehen.

Meine Connexion hatte sich inmittelst sehr vermehrt, jedoch nicht durch Miß D. und ihre Vermittelung, sondern durch meine eigenen Bekanntschaften; nichtsdestoweniger verlangte jene nebst Master B. den Zehnten von allen meinen Einkünften. Ich verweigerte diesen entschieden, erklärte mich jedoch bereit, den Zehnten von dem durch Miß D. erlangten Erwerb zu steuern, welchen ich auch richtig in den Tithe-box steckte. Dieser Zehntenkasten wurde sorgfältig controlirt. – Vor und nach dem Gottesdienste stand immer eine Menge Herren, meistens Geistliche, in der Vorhalle und erzählten einander die seltenen Wunder, welche bald dieser, bald jener von ihnen sollte gewirkt haben; bald sollte einer einen Sterbenden durch das bloße Auflegen der Hände augenblicklich gesund gemacht haben, bald sollte ein anderer durch einen Machtspruch einen vom Teufel Besessenen befreit, bald einer einen Blinden sehend und einen Tauben hörend und wieder ein anderer einen Todten lebendig gemacht haben, welches die Gläubigen mit großer Andacht anhörten. Bei keinem Volke habe ich überhaupt soviel Frechheit auf der einen Seite und soviel Heuchelei auf der andern gefunden, wie bei den Engländern. Aber nicht blos Männer, auch Frauen befleißigten sich der Wunderkraft, und je größer der Betrüger, je höher steigt er in der Gunst der Geistlichkeit, die schon jetzt eine bedeutende Hierarchie bildet, und mit Aemtern, Würden und einflußreichen Stellungen den Eifer ihrer Anhänger zu beleben vermag. In London allein giebt es sieben irvinitische Kirchen, deren jede ihren Engel oder Bischof hat. Zu einem solchen Engel gehört hauptsächlich ein recht durchtriebener Schalk, der recht psalmodiren kann. Von Zeit zu Zeit bekam ich gedruckte Berichte über die Verbindung und Organisation der irvinitischen Kirche auf dem Festlande zu lesen, und sah zu meinem Erstaunen, daß Deutschland,