Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/245

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

voran gegangen war. Einige Zeit darauf erhielt ich die Nachricht, daß er in jener Nacht des April 18..[WS 1]verschieden war. Die Zeit hat meinen Schmerz um ihn zwar gemildert, aber das Heimweh nach dem Himmel und die Sehnsucht nach ihm werden mein Herz erfüllen, bis es aufhört zu schlagen.

Ich erzählte Frau von K. von dem Verfahren der Mistreß S. gegen mich, und diese Dame war gütig genug, mir bis zur Auffindung eines anderen annehmbaren Quartiers ihr Haus zum Asyl anzubieten. Ich machte davon Gebrauch auf einige Wochen, während welcher ich mit Freundlichkeit und Wohlwollen behandelt ward. Es gelang mir inmittelst, von einer verarmten Kaufmannsfamilie ein sehr schönes Logis auch in Buenos Ayres gegen einen billigen Miethzins zu erhalten. Die Töchter dieser Familie, zwei einfache gute Mädchen, besuchten mich oft und weiheten mich einigermaßen in das Innere des bürgerlichen Lebens in Portugal ein. Ich mußte die überaus zarten und sittlich richtigen Gefühle, die Häuslichkeit und Zurückgezogenheit der Frauen und Mädchen in jenem Lande verehren. Indessen steht der portugiesische Typus dem spanischen an Schönheit und Seelengröße nach, hingegen sind die Söhne Lusitaniens weichmüthiger und bei weitem nicht so rasch zum Blutvergießen wie die Spanier. In Portugal wie in Spanien werden die Mädchen sehr eingezogen gehalten, die Etiquette fordert, daß kein Bewerber vor dem Hochzeittage Eintritt in ihr Haus erhalte, weshalb alle derartige Aspiranten unter den Fenstern ihrer Holden seufzen müssen, bis ihnen Hymens Fackel in’s Brautgemach leuchtet. Wenn die Schöne in den höheren Regionen wohnt, muß dies für das Genick des Liebhabers seine Schattenseiten haben. Im Vorübergehen habe ich unzählige solche Unterhaltungen mit angesehen, wo ich nicht begreifen konnte, wie bei der Gefahr des Halsbrechens noch Liebesgedanken aufkommen konnten. – An meinen Zöglingen nahm ich im Allgemeinen große Bildungsfähigkeit wahr, und unter ihnen zeichneten sich die Söhne des Marquis von N., eines Nachkommens des Vasco de Gama, durch seltene Fassungskraft aus. Denn obgleich erst acht und neun Jahre alt, waren sie doch schon in sieben Sprachen weit vorgerückt und trieben dabei noch Mathematik und Musik mit Erfolg.

Ueberaus liebenswürdig fand ich die portugiesischen Frauen, sie sind die sympathischesten Wesen von der Welt, es genügt, daß ein

Mensch unglücklich sei, um ihr Mitgefühl zu erregen. Ich sah oft eine

Anmerkungen (Wikisource)

  1. lt. Eintrag im Kirchenbuch von Kreischa verstarb Carl Steinmann am 16.03.1847 kurz vor seinem 71. Geburtstag.