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ich ihn daher an einsamen Oertern meiner harren, mir entgegen kommen oder mir folgen sah, glaubte ich fest, daß er mich mit dem Stilett verfolge. Er hatte mir mehrmals geschrieben, allein ich hatte seine Briefe stets unerbrochen zurückgeschickt, und so war denn die Kluft zwischen uns unübersteigbar geworden. Als Mistreß S. dies bemerkte, rückte sie ganz sacht und pfiffig mit einem Plane hervor, den sie schon längst auf dem Herzen hatte. Sie gab sich nämlich alle erdenkliche Mühe, zwischen mir und ihrem Sohn eine Heirath zu Stande zu bringen! Dieser Mensch brachte auf mich die Wirkung der Ipecocuanha hervor, so daß mich bei einem solchen Gedanken die Gänsehaut überlief, dazu war er kränklich, ohne Bildung und Vermögen, ja ohne Profession, lebte einzig von dem ungewissen Erwerbe seiner eben nicht scrupulösen Mutter, und es kann daher nur gebilligt werden, wenn ich dem erwähnten Heirathsgesuche mit der schneidendsten Kälte begegnete. Es würde einen zu großen Raum einnehmen, wenn ich alle die Kabalen und schlechten Streiche erzählen wollte, deren sich diese beiden Personen bedienten, um ihren Zweck zu erreichen; genug, es erforderte alle meine Energie und Besonnenheit, um nicht das Opfer ihrer Speculation zu werden.

Endlich verging auch dieser traurige Winter, der März brachte schon den bezaubernden Frühling, welcher dieses gesegnete Land zu einem Eden macht. – Ich hatte nie aufgehört, mich meiner Kindespflichten zu entledigen, aber aus Schonung meinen Eltern immer nur möglichst günstige Nachrichten gegeben, indessen konnte ich ihnen die Auflösung meines Verhältnisses zu v. T. unmöglich verschweigen. Mein Vater hing mit der zärtlichsten Liebe an mir, Alter und eine langjährige Blasenkrankheit hatten ihn sehr geschwächt, aus seinen Briefen sprach eine düstere Todesahnung in Form ängstlichster Sehnsucht nach mir und theilte sich unmerklich meinem Herzen mit. Bald ging mein Streben nur dahin, in seine Arme zu eilen, um ihm allen Trost und alle Unterstützung zu gewähren, die in meiner Macht standen. Eines Nachts, als ich mich in Sorgen und Aengsten schlaflos auf meinem Bette wälzte, ward es plötzlich ganz hell vor meinen geschlossenen Augen, und als ich sie aufschlug, sah ich meinen Vater von einem Lichtstrom umflossen vor mir, seine Arme segnend über mich ausbreitend. Ich schrie laut auf und streckte ihm meine Hände entgegen, aber er war in demselben Augenblick verschwunden und ich wußte, daß er mir in die Ewigkeit