Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/241

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mich oft und bemühete sich, durch listige Ausforschungen meine Verhältnisse, Gesinnungen und Gefühle zu ergründen, wobei sie zu meinem Verdrusse verrieth, daß sie bereits mehr von dem Zwecke meiner Reise wußte, als ich eben für nöthig hielt. Glücklicher Weise besitze ich die Fähigkeit, Unverschämtheiten auszuweichen und zu imponiren, woran auch ihre Neugierde scheiterte. Sie ging dann auf ein anderes Thema über, indem sie mir ihren Sohn vorstellte und denselben als den Inbegriff aller Qualitäten eines vollkommenen Gentleman pries. Leider ging mir das Verständniß derselben gänzlich ab, so daß ich in dieser Krone der Ritterschaft nichts als einen simpeln Laffen erblickte, der das sehr begreifliche Glück genoß, von seiner Frau Mama vergöttert zu werden. Es wurde mir sonach keineswegs schwer, mich von diesen zwei Pracht-Exemplaren der englischen Population Lissabons in geziemender Entfernung zu halten. Mein Wirkungskreis erweiterte sich mittlerweile immer mehr, und bald war ich nicht allein in den bereits erwähnten Familien, sondern auch in portugiesischen Häusern heimisch, von welchen ich nur das des Marquis von V., eines der reichsten Hidalgos, anführen will. Ich fühlte mich unaussprechlich glücklich, namentlich im Umgange mit meiner großmüthigen Wohlthäterin, deren bloßer Anblick mir schon innerliches Wohlbehagen bereitete. Es war mir Bedürfniß, diese himmlisch gute Frau zu sehen und mich ihrer Theilnahme an meinem Schicksale sowie ihres herzerhebenden Umganges zu erfreuen. Milady H. de W. war mein Schutzengel und meine Liebe zu ihr unbegrenzt, ich trug diese auch offen zur Schau, so daß mich meine portugiesischen Freunde manchmal fragten: „Verstehen alle deutsche Frauen so zu lieben und dankbar zu sein wie Sie?“

Eines Tages theilte sie mir mit, daß sie und ihre Familie nach England zurückkehren würden. „Kommen Sie mit uns, sagte sie mit dem Ausdrucke himmlischer Güte, ich werde für Sie sorgen; Portugal ist ein zu bewegtes Land, jeden Tag kann eine Revolution ausbrechen und Sie in sehr precäre Verhältnisse bringen. Die Gesandschaft wird in einem besonderen Schiffe reisen, und ich biete Ihnen hiermit ganz freie Rückfahrt an. Uebrigens wissen Sie ja, daß Sie unter allen Umständen auf mich rechnen können.“

Obwohl mir nun der bloße Rath dieser seltenen Frau schon Gesetz war, so wirkte doch die Vorstellung von dem Aufsehen, das mein Bruch mit v. T. machen werde, von der Schadenfreude über die Ursache desselben,