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aussahen, trübsinnig umher wankten oder vor den Thüren kauerten und ihrer Trübsal mit stoischer Apathie in’s Auge sahen, während sie sich der edelsten Geistesgaben bewußt sein müssen. Himmel, rief ich erschüttert, wohin kann ein edles Volk durch seine Regierung gebracht werden! Das waren dieselben Portugiesen, welche einst die Meere beherrschten, Ostindien eroberten, Brasilien entdeckten und einnahmen, das Vorgebirge der guten Hoffnung zuerst umschifften, Madeira, die Azoren und so viele der schönsten Theile unserer Erde auffanden! O Heinrich der Seefahrer, o Basco, o Cabral! rief ich weinend, und als mir jetzt Strophen des göttlichen Camoens einfielen, mußte ich mich gewaltsam fassen, denn schon war meine Umgebung aufmerksam geworden und sah mich mit bedenklichen Blicken wie eine Irrsinnige an.

Der Weg von Lissabon bis Cintra bietet dem Auge wenig Interessantes dar, noch weniger Erfreuliches, selbst die Gasthäuser, welche ich hier sah, ärgerten mich durch ihr primitives, beinahe vorsündfluthliches Aussehen, und ich mußte unwillkürlich an Don Quixote's und Sancho Pansa’s Wirthshaus-Abenteuer denken. Je näher wir jedoch Cintra kamen, je malerischer wurde die Gegend, und als wir nun erst seiner Paläste und Villen ansichtig wurden, ihre reizenden Gärten, Pavillons, architektonischen Schönheiten aller Art, südliche üppigste Pflanzenpracht auf Bergen, Abhängen und in Thälern entfalten sahen, fühlten wir uns wirklich aus der Unterwelt in das Elysium entrückt, und so gebeugt von Gram mein Gemüth auch war, konnte es doch der wohlthätigen Magie dieser Scenen nicht widerstehen, sondern unmerklich erwachten Lebenmuth und Hoffnung wieder darin.

Um elf Uhr kamen wir in Cintra an und hielt der Postwagen vor dem „englischen Hofe“, wo Herr B. und ich, von der tropischen Gluth ganz erschöpft, ein erfrischendes Mahl einnahmen. Hierauf begab ich mich nach dem Hotel der englischen Gesandtschaft, erfuhr aber mit Bedauern, daß Lady H. an der Halsbräune darnieder liege, unter welchen Umständen ich es angemessen fand, ihr den Brief der Marquise von S. zu übersenden und auf Antwort zu harren. Nach einigen Minuten erhielt ich die freundliche Aufforderung, Lady H. de W. Nachmittags vier Uhr zu besuchen, und es blieb mir daher nichts übrig, als mich bis dahin im Gasthause aufzuhalten, anstatt, wie ich mir vorgenommen, mit der Post von Masra nach der Hauptstadt zurückzukehren. Vor dem Hotel fand ich Herrn B. im Begriffe, ein Maulthier zu besteigen; er lud