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losließ, aber die Mutter warf mir jetzt ein Tuch von hinten über den Kopf, die Räuber faßten meine Arme, Augen und Mund waren mir im Augenblicke zugebunden, und ich erwartete jetzt den Todesstreich, denn in London fallen fast täglich Mordthaten um viel geringere Ursachen vor, als die Gegenstände waren, die sie mir gestohlen hatten. Sobald ich gebunden war, stürzte die F. herein und fragte nach der Ursache dieses Auftrittes. Die W. brachte hierauf ihre Beschuldigungen vor, welche hauptsächlich darin bestanden, daß ich ihr Haus durch einen schlechten Lebenswandel und Einführung zweideutiger Subjecte in Verruf gebracht hätte. Ihre Tochter, ihre Magd und die drei Kerls behaupteten, Zeugen davon zu sein und wiederholten ihre lebensgefährlichen Drohungen. Die F. spielte nun die Vermittlerin und Fürsprecherin, d. h. ich mußte, da ich mich weder bewegen noch reden konnte, durch Gesten ihrem Verlangen zustimmen, daß ich weder um Hilfe rufen, noch Polizei herzurufen wolle. Wollte ich nicht sofortige Ermordung riskiren, so mußte ich alles bewilligen, worauf ich meiner Fesseln entledigt wurde und die verworfene F. einen Lohnwagen holte. Die W. machte noch einen Versuch, die Miethe, die ich ihr erst am Tage vorher bezahlt, noch einmal zu erpressen, allein zum Glück hatte ich noch ihre Quittung, und so verließ ich diese Mördergrube, deren es unzählige in London giebt, von allen Mitteln entblößt. Mein erster Gang war zu einem Advokaten, um mir bezüglich der Wiedererlangung meines Verlustes Rathes zu erholen. Er fragte mich zuerst, ob mein Geld in Scheinen oder in Baarem bestanden habe, sowie nach allen andern Umständen. Als ich ihm sagte, es seien meist Sovereigns gewesen, so versicherte er mich, daß ich es nie wieder erlangen würde, weil die Gauner zu viele Mittel besäßen, baares Geld sofort unterzubringen, ja daß die Spitzbuben mich wegen meiner Beschuldigung noch in Strafe bringen könnten, weil ich nicht einen einzigen Zeugen aufführen könnte. Wegen des Ueberfalles sei zwar eine Criminalklage zulässig, allein auch hier würde Zeugenbeweis in diesem Falle gefordert werden, und die Diebe ihn vollständig, ich gar nicht führen können, somit aber für mich die Abentrichtung der Kosten erwachsen.

Die Folge der vielen Gemüthserschütterungen war bei mir ein Trübsinn, der meiner Existenz Gefahr drohete, das unglückliche Zusammenwirken von Umständen und Verhältnissen rief allmählig und bei längerer Betrachtung in meinem Gemüthe die Ueberzeugung hervor, ich