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„Wenn ich nicht irre, sagte ich, so sind Sie Herr F.?“ und blickte ihn erstaunt an.

„Wie, rief er mit Befremden aus, Sie wüßten nicht –

„Was soll ich wissen?“

„Sie wüßten nicht, wer die F. ist?“

„Im Gegentheil! Sie ist eine Kaufmanns-Dame und noch dazu meine Schülerin,“ erwiederte ich ganz unbefangen.

„Jetzt wird mir Alles klar, fuhr er fort; auf welche Weise sind Sie denn mit ihr bekannt geworden?“

„Durch meine Hauswirthin, Mistreß W.“

„Und wissen Sie, wer diese ist?“

„Ich weiß von ihr nicht mehr als sie mir selbst erzählt hat.“

„Sie hätten nicht schlimmer ankommen können, denn Mutter und Tochter sind übel berüchtigte Personen und Ihre Feinde, die Sie unter der Hand verleumden und Ihnen eine schreckliche Grube graben. Die F. hat Sie mir als eine Person ihres Gelichters geschildert und mir vertraut, daß sie Ihre Verhältnisse den Familien, mit welchen Sie umgehen, in anonymen Briefen mittheilen will, theils aus Neid, theils auf Anstiftung eines gewissen Herrn N., eines ihrer Liebhaber, welcher behauptet, Sie seien Kammermädchen bei seiner Mutter gewesen, und Ihr bitterster Feind ist, der Sie um jeden Preis zu verderben sucht.“

Schreck und Entsetzen hielten meinen Verstand einige Augenblicke dermaßen befangen, daß ich nicht vermochte, das teuflische Gewebe von Bosheit und Intrigue zu begreifen.

„Großer Gott, ist es möglich! rief ich, indem ich stille stand und mich umsah, wie aus einem Traume erwachend. In demselben Augenblicke bemerkte ich das Dienstmädchen der W., die uns von weitem folgte, und ich errieth, daß sie uns zu beobachten nachgeschickt war.

„Aber giebt es denn keine Gesetze und keine Gerechtigkeit, deren Schutz ich anrufen kann?“ fragte ich entrüstet.

„Sie würden nichts dadurch gewinnen, weil diese Klasse Frauen erstens zu sehr von der Obrigkeit in Schutz genommen wird, und zweitens weil sie zu abgefeimt sind und zahllose Helfershelfer haben. Verlassen Sie aber das Haus so bald als möglich und danken Sie Gott, wenn man Ihnen Ihr Eigenthum läßt, denn – sie sind auch Diebe!“

„Aber Sie gehen ja selbst mit der F. um,“ sprach ich verwundert.

„Dieses Mal geschah es um Ihretwillen, weil ich mich wunderte,