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wenn sie mich von allen Seiten gefeiert sah, während Niemand sie auch nur anblickte, der es umgehen konnte.

Das erste was sie that, bestand darin, meine Aussprache und Kenntniß des Deutschen herabzusetzen, wobei sie das Französische mit ihrer quäkenden Stimme in folgender herrlicher Weise aussprach: "Che ne bredents bas te barler doudes les langues tumonte, mais che possède à fond celles que che brofesse.“ Ich mußte der alten Zigeunerin in’s braune Gesicht lachen, die Fräuleins W. waren zum Glück auch selbst zu bewundert, als daß sie mich hätten beneiden sollen, und so sahen sie die neidische Alte verächtlich und kalt an, ohne etwas zu erwiedern. Diese hat jedoch nie aufgehört, mich zu verfolgen. Ich fuhr indessen fort, im Vertrauen und der Zuneigung der Familie W. Fortschritte zu machen. Lady Maria ging oft mit mir Arm in Arm ihre Kranken zu besuchen, denn sie hatte die Schwachheit, für eine Philanthropistin und Heilige gelten zu wollen; oder wir gingen Einkäufe zu machen, wobei sie sich aufs gemüthlichste mit mir unterhielt. Jane und Georgina nahmen Sprachunterricht bei mir, und Fanny, mit der ich alle meine selbstgekauften Mundprovisionen theilte, schenkte mir alle die Liebe, deren ihr verbittertes Herz noch fähig war.

Von meinem Bräutigam erhielt ich unterdessen nicht nur täglich Briefe, sondern er wartete oft Stunden lang in der Straße, um mich nur einen Augenblick im Vorübergehen zu sehen. Als es mir zum ersten Male wieder möglich war, ihn zu sprechen, brach er in einen Strom von Freudenthränen aus, und dieser Augenblick entschädigte mich für die lange schmerzliche Trennung, denn was ist wahrer als die Thräne! – v. T. theilte mir alle Nachrichten mit, die er aus Portugal erhalten hatte, und tröstete mich mit der Hoffnung auf eine baldige Beseitigung aller Hindernisse unserer Verbindung. Seine Liebe beglückte mich unaussprechlich, und im Vergleich mit ihm erschienen mir die schönsten Männer wie häßliche Gnomen, so daß ich jetzt selbst darüber staune, wie ein Greis diese Leidenschaft in mir erwecken konnte. Ich fühlte mich durch jenes Wiedersehen über alles Mißgeschick emporgehoben.