Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/137

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

W. einzuziehen, und erfuhr, daß sie die Schwester des Grafen O. war, ihr Gemahl einer jüngeren Linie des gräflichen Hauses D. angehörte, außer seinem Gehalte als Justizrath kein Vermögen besaß, daß aber die Nichte eine reiche Erbin sei, deren Kapitale Herr W. als väterlicher Oheim und natürlicher Vormund verwaltete.

In der Ueberzeugung, daß ich auf meine Empfehlungen rechnen konnte, erwartete ich jede Stunde von Lady Maria engagirt zu werden; als ich einen sehr erfreulichen, wiewohl unerwarteten Besuch von Fräulein Emma S. erhielt. Sie sagte mir, daß ihre Mutter einen Erkundigungsbrief von der Lady erhalten hätte, als sie gerade im Begriffe gewesen war, eine Tante in London zu besuchen, weshalb sie sich gleich persönlich zu jener Dame begaben, um ihre Empfehlung mündlich abzumachen. Die Lady habe hierauf die Zusage ertheilt, daß sie mich engagiren und mir Freundin sein wolle. Dieser neue Beweis von Zuneigung Seiten der Familie S. war für mich eine wahre Herzenserhebung und bewog mich, Emma meine Verlobung mitzutheilen; sie empfing jedoch diese Nachricht keineswegs mit Freude, sondern sprach geradezu Bedenken wegen der Verschiedenheit der Religion und der Nationalität des Herrn v. T. aus. Kurz nachher kam auch Mistreß S. nach London, sie sprach wie eine Mutter mit mir, nahm denselben Antheil an meinen Verhältnissen, wogegen ich ihr mein Herz wie eine Tochter erschloß. Auf ihren Wunsch, meinen Bräutigam ihnen vorzustellen, that ich dieses nach Herstellung desselben von seiner Krankheit. Frau und Fräulein S. gingen durch die Vorstellungs-Ceremonien mit der ihnen eigenen Verbindlichkeit, ich hatte aber bei meinem nächsten Besuche die Betrübniß, zu bemerken, daß keine der beiden Damen weder für meinen Bräutigam, noch für mein Glück enthusiasmirt waren. Jedoch war dieser Umstand weit davon entfernt, mich wankend zu machen, im Gegentheil fühlte ich mich verpflichtet, meinen Bräutigam durch Verdoppelung meiner Liebe für das ihm zugefügte Unrecht zu entschädigen.

Noch an demselben Tage, an dem Miß S. bei Lady W. gewesen war, erhielt ich einen Brief von Letzterer, worin sie mir auf eine schmeichelhafte Art zu wissen that, daß sie vollkommen zufrieden sei mit dem Resultate ihrer Erkundigungen und mich zum Besuche einlud, damit alles Nöthige verabredet werden könne. Bei meiner nächsten Vorstellung machte mich Lady Maria mit ihren schönen Töchtern bekannt,