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so durchaus würdevoll und edel, daß die Ueberzeugung sich mir immer unwiderstehlicher aufdrang, die Bosheit allein feinde ein übergeordnetes Wesen an und entreiße mir abermals ein beneidenswerthes Loos. Dies Gefühl ließ mich Thränen vergießen, und doch war ich so befangen, daß ich mir nicht zu rathen wußte, ungeachtet die Hülfe so nahe lag.

Miß Ch. war sehr zufrieden mit diesem Arrangement und glaubte wahrscheinlich, der Augenblick der Erreichung ihres Zweckes sei gekommen. Sie war nämlich ungemein eigennützig und geldgierig, und ihre Forderungen keinesweges freundschaftlich. Mein neues Verhältniß betrachtete sie als eine Goldgrube, welche sie in folgender Weise auszubeuten sich anließ. Sobald wir nämlich allein waren, begann sie ihr Manöver mit folgenden Worten: „Das Glück scheint Sie für die ersten traurigen Jahre Ihrer Jugend entschädigen zu wollen, lassen Sie sich aber von einer erfahrenen Freundin leiten, denn nie kehrt es wieder, wenn einmal verscherzt, sondern rächt sich an dem, der es von sich wies.“

„Und welchen Rath geben Sie mir?“ fragte ich gespannt.

„Für's erste geben Sie Ihre jetzige Lebensweise gänzlich auf, v. T. ist reich und betet Sie an, Sie sind seine Braut, haben seinetwegen Ihre Stellung aufgegeben, folglich muß er für Sie sorgen, und wird es auch, überlassen Sie es mir. Zweitens müssen Sie Ihre religiöse Schwärmerei ablegen, die kann Ihnen in der Meinung Ihres katholischen Bräutigams nur schaden. Uebrigens sind Sie jung und er ist alt, mithin muß er sich mit der Rolle eines Vaters Ihnen gegenüber begnügen, und Sie müssen ein bischen verbindlicher gegen den Fürsten C. sein, den Sie bei Mistreß W. kennen lernten.“

Entrüstet antwortete ich: „Die Gesinnungen, die Sie soeben ausgesprochen haben, sind ein Beweis, daß wir uns beide in einander getäuscht haben, und ich bedauere nur, daß Sie sich nicht eher offen und ehrlich mittheilten, es würde dann manches anders gekommen sein.“

„Ereifern Sie sich nicht, sagte die Ch., Sie wissen, ich habe Sie aus den Klauen der schändlichen N. gerettet, mir verdanken Sie die Freundschaft der Frau E. und der Familie C., nicht minder Ihre Bekanntschaft mit Herrn v. T., und es würde mir daher leicht werden, Sie in der Meinung aller dieser zu verderben.“

„Sie können mir nichts Unrechtes nachsagen!“ antwortete ich mit der Ruhe eines guten Gewissens.

„Die Welt glaubt alles Schlechte, entgegnete sie lächelnd; aber beruhigen