um von dem Verschwundenen zu schwatzen, bezeigte sie eine Furcht, die alle Mädchen in der Fabrik lachen machte.
Böse Träume bei Nacht und eintönige Arbeit bei Tage, – die Zeit ward ihr lang. Und wenn Heinrich zurückkommt, dachte sie, wer weiß, am Ende muß er auch noch auf die Polizei, als Zeuge, wie wir alle, obgleich sein Herr ausgesagt hat, daß er abgereist ist, als der Herr Jäck noch da war, und obgleich alle wissen und bezeugen, daß sie nie ein Wort zusammen gesprochen haben.
Am Freitag der zweiten Woche, es war gegen Feierabend, rief ihr die rote Male vom Fenster her zu, Klefecker sei zurück; sie habe ihn gerade ins Kontor der Fabrik nebenan gehen sehen. Sie schrak zusammen und freute sich dennoch; ihre Hände zitterten, wenn sie die Bogen darreichte, und sie wäre fast mit den Fingern unter die Walzen geraten. Als aber die Arbeit aufhörte, ging sie beinah zögernd die Treppen hinunter und strich ein paarmal an den Häusern hin, ehe sie in die Tür nebenan zu treten wagte. Dort lag das Kontor der chemischen Fabrik; sie kannte die Tür sehr genau und das schmale Milchglasfenster mit der Inschrift „Bureau“, durch das sie die Gestalt ihres Mannes wie einen dunklen undeutlichen Schatten erkennen konnte.
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/222&oldid=- (Version vom 31.7.2018)