müsse, um seine Frau ernähren zu können, eher dürfe er sich nicht verheiraten. Thedche hörte mit offenem Munde zu. Plötzlich rief er: „Denn is meine Mama uns wohl darum ausgekratzt?“ und er begann zu schluchzen und zu weinen, daß die Tränen über Friedas Hand liefen.
„Weinst du um deine Mama?“ flüsterte Frieda liebkosend. Der Kleine schüttelte heftig den Kopf. „Warum denn? sag mir’s doch, Theodor.“
„Weil ich mir nicht verheiraten soll,“ heulte Thedche zum Erbarmen. Dann, als ihn Frieda neben sich aufs Sofa setzte und an sich lehnte, hörte er allmählich auf; langsam glättete sich das kummerverzogene Gesicht, und dann war er auf einmal eingeschlafen, betäubt von der ungewohnten Wärme.
„Ein sonderbarer Weihnachtsabend,“ sagte Karoline, und ihr Auge hing an den letzten verglimmenden Weihnachtslichtern. „Aber was sollen wir mit ihm anfangen?“
Sie brach ab und horchte auf: „Es hat geklopft, hast du’s nicht auch gehört, Frieda? Da wieder: herein! O Gott, Herr Olbrich“ –
Und herein trat ein junger Mann von blühender Gesichtsfarbe und mit schwarzem, etwas gesträubtem Haar. Ein Duft von Maiblumen und Veilchen verbreitete sich von dem Strauße her, den er samt dem Hute in der Hand hielt.
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/129&oldid=- (Version vom 31.7.2018)