Gelegenheit. Sie seufzte, so oft es donnerte, sah bald nach der Tür, bald nach dem Fenster, und das Nähzeug flog in ihren bebenden Händen. Ein Unwetter auf freiem Felde oder gar auf dem Wasser, das ist ein Abenteuer!
Hier unten in der Beckerschen Kellerstube war es nur ein Platschen aus allen Traufen, ein Rauschen des Rinnsteins, der breit wie ein lehmfarbener Bach dahinschoß, eine flüchtige, fahlblaue Helle, und ein Fensterklirren, wenn die Donner über das Haus rollten. Man saß nur gar zu sicher und geborgen, zumal nachdem die Schaufenster, die so viel tiefer lagen als das Trottoir, durch die vorgesetzten Läden geschützt worden waren. Man hatte vollauf Zeit zu sorgenvollen Vermutungen, zu aufgeregtem Horchen nach Johanns Schritten.
Um acht Uhr deckte Rike zum Abendbrot, aber Hannchen konnte mit ihrem Rundstück gar nicht fertig werden, und auch den zwei älteren Geschwistern quoll der Bissen im Munde, als es halb neun schlug und kein Bruder Johann hereintrat.
„Kinder,“ sagte Rike zuletzt, nach rechts und links eine Hand ausstreckend, „ich bitt euch, seid nicht so bange! Mein Fritz, iß doch noch’n büschen, mein Hannchen, du kannst ihn ja doch nicht herkucken! Ich hol dir’n Teller kalte Aalsuppe, Fritz, du hast heut mittag man so genibbelt. Weißt
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/021&oldid=- (Version vom 31.7.2018)