aussah. Die rotbemalte chinesische Kumme stand schon zurecht auf dem zierlich eingelegten Nähtisch; das war der angestammte Platz für den Blumenstrauß, und Johann ging gleich daran, ihn zu ordnen; er wußte ja, wie Hannchen es am liebsten hatte: die Rosen in der Mitte und die schlanken Fuchsienzweige über den Rand gehängt.
Er war aber kaum halb fertig, als die Tür aufging und Hannchen, die nur einen Faden hatte holen wollen zum Zusammenbinden der Suppenkräuter, mit einem Freudenschrei auf ihn zulief:
„Mein Johann bist du denn hier?“
Ein bißchen verlegen, daß er hier überrascht worden war bei der Überraschung, ließ sich Johann küssen und streicheln und in den Arm nehmen. Die Schwester war fast ebenso groß wie er, mit dem gleichen langen Gesicht und stillen grauen Augen, und mit demselben Ausdruck heiteren Friedens, wie man ihn sonst nur bei weltunkundigen Kindern oder bei weltüberwindenden Greisen findet.
Inzwischen hatte Schwester Rike sich doch wundern müssen, daß Schwester Hannchen nicht wiederkam. Klein und stämmig, in einem lila Hauskleid, das ihr nur bis an die Knöchel reichte und in breiter weißer Küchenschürze erschien sie gleichfalls an der Tür und drohte den in die Blumen Vertieften mit dem blanken Schaumlöffel.
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/013&oldid=- (Version vom 31.7.2018)