Kleide sitzt. Das ist seine Frau. Anekdoten von ihrer Einfalt werden erzählt, die unglaublich wären, wenn man nicht wüßte, daß die klügsten Männer in der Regel die dümmsten Frauen haben. Sehen Sie ihn?“
„Ich sehe und erkenne ihn,“ sagte Cornelie ruhig, nahm ihr Lorgnon und sah ihn an. Ja, allerdings! das war der Doctor Brand, ein ihr gänzlich fremder, ferner, gleichgültiger Mann. So wenig wie einst Eustach für sie Eustach geblieben war, so wenig war er noch für sie Leonor.
„Gescheut, eitel und unruhig wie er sonst war, setzte sie hinzu, muß ihm diese Carriere, die eine gewisse Popularität und Berühmtheit des Tages mit sich bringt, sehr zusagen.“
„Er ist für sie geschaffen, sagte Gotthard. Erinnerst Du Dich noch, Cornelie, daß er gleichsam unter Deiner Aegide vor einer Reihe von Jahren nach Paris ging?“
„Ja wol, sagte sie, und erinnerst Du Dich noch der feindseligen Stimmung in der Du damals gegen die Liebe warst? ich muß noch lachen, wenn ich daran denke. Wie gut daß wir Alle – er, Du, ich – allendlich die Sphäre gefunden haben nach der wir mühsam rangen: inneres Gleichgewicht mit den äußeren Verhältnissen.“
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/235&oldid=- (Version vom 31.7.2018)