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es in einer eleganten Erziehungsanstalt lernen kann. Ueberdies malte sie auf Porzellan und auf verschiedenen anderen Stoffen, sang „Casta Diva“, und trug alte und neue Meister auf dem Piano vor, nämlich immer „la Consolation“ von Dussek und „la Fontaine“ von Henselt. Hübsch war sie gar nicht; aber siebzehn Jahr alt, und das ist eine große Schönheit. Auch verstand sie sich einfach und mit Geschmack zu kleiden. Sie war eine musterhafte Salonfigur. Zu einer Bekanntschaft mit ihr konnte Leonor es gar nicht bringen, weil sie auf jede Frage eine wolgesetzte Antwort gab, von der es zweifelhaft war ob sie dieselbe gehört, gelesen, auswendig gelernt hatte; aber schuldig blieb sie keine, und verlegen oder schüchtern war sie nie. Sollte sie dumm sein? fragte sich Leonor zuweilen ganz beängstigt; – nein, nein! unentwickelt ist sie wie ihre siebzehn Jahre das mit sich bringen, die man ihrer ruhigen Haltung gegenüber immer geneigt ist zu vergessen. - Je länger er sie sah um desto deutlicher fühlte er daß Fräulein Fanny nicht zu den weiblichen Wesen gehöre, welche sich in Herz eines Mannes stehlen, es erwärmen und sich ihm anschmiegen können. Unwillkürlich flog ihm zuweilen die Erinnerung an Corneliens Lächeln, an ihren Blick, an gewisse kleine Bewegungen der Hand und des

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/220&oldid=- (Version vom 31.7.2018)