Sie richtete sich auf in seinen Armen; sie war nicht mehr blaß, bebend und erschöpft; hoch, groß und fest stand sie vor ihm. Der wundervolle Glanz extatischer Begeisterung leuchtete über Stirn, Augen und Wangen, während um den Mund, den Verräther süßer Schwäche, ein schmerzliches Lächeln sich legte. So warf sie sich in seine Arme, so umschlang sie ihn, so drückte sie einen Kuß auf seine Lippen – und ihm war zu Muth als werde sie sich in eine Flamme verwandeln und ihn verzehren – so machte sie sich los und verschwand im Nebenzimmer, und wie einer überirdischen Erscheinung starrte er träumerisch ihr nach. Allmälig kam er zur Besinnung. Ich sehe dich nie wieder! rief er, taumelte auf einen Stuhl, und Thränen stürzten ihm konvulsivisch aus den Augen. – O schäme dich, Leonor! sprach er nach einer Weile gefaßter, sie .… weinte nicht! – Er saß an Corneliens Schreibtisch, nahm ein Blatt und schrieb:
„Dies war ein Abschied auf immer! Nach einem solchen kann man in den Tod oder ins Leben gehen – gleichviel. Sei ruhig, ich gehe, ich reise noch in dieser Stunde. Wie eine Gottheit bist Du in meinem Dasein erschienen, wie eine Gottheit wirst Du über meinem Dasein stehen. Das ist gewiß. Dennoch werd' ich Dich ewig
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/202&oldid=- (Version vom 31.7.2018)