nehmen – nicht zu rauben, zu stehlen, zu beeinträchtigen – aber zu nehmen, wenn er es auf seinem Wege findet. Es ist mir begegnet in Deiner Gestalt .… ich beeinträchtige Niemand wenn ich ihr folge: ich folge ihr. Setze diesem Entschluß keinen Widerstand entgegen, der Dich unnütz aufregen, mich unnütz betrüben würde: es bleibt dabei! - Und nun! Auf Wiedersehen heut Abend, gnädige Gräfin,“ setzte er mit veränderter Stimme hinzu, küßte ihre Hände und verließ schnell den Garten.
Cornelie legte betäubt die Hand an die Stirn, und fragte sich wie denn Alles so ganz anders gekommen sei als sie gerechnet habe. Sie wollte sich Muth einsprechen, Zuversicht zu Leonors Entschluß. Die heimliche unbezwingliche Freude daß er blieb, daß sie ihn sehen würde, alle Tage, immer – hob wie ein Sonnenstral die Wolken der Bangigkeit von ihrer Seele. Sie ließ sich gehen in der Berauschung der Gegenwart. Es war ja auch eigentlich nichts verändert nach der gestrigen Erklärung: eine lange tiefe Ahnung war Gewißheit geworden; und warum sollte sie durch diese Gewißheit sich beängstigen lassen? ihr Herz war ja frei – und könnten nicht auch die äußeren Fesseln gelöst werden? Ach nein! nie! störte eine heimliche Warnungsstimme ihren freudigen Flug der Phantasien und Hofnungen;
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/185&oldid=- (Version vom 31.7.2018)