den und beseelenden Zauber gezeigt hatte, während er vor ihr nur allerliebste Mädchen oder höchstens ein reizendes Weib gekannt. Eine solche Frau bleibt unvergeßlich! sie steht gleichsam auf anderm Boden! die Ahnung der großen Leidenschaften, welche die Existenz zertrümmern oder retten, webt sich als magische Glorie um sie. Sieht man sie wieder nach einer Reihe von Jahren, ist man matt und müde, öde und gelangweilt von Thorheiten, Nichtigkeiten, Sinnlichkeiten – von all den Spielereien, die man acht Tage hindurch Liebe, und dann bei ihrem wahren Namen nennt – so gewährt es eine Art von Trost, von Genugthuung für's Gefühl beim Anblick dieser Frau zu sich selbst zu sprechen: Ja, Dich habe ich geliebt! hätte das Schicksal in Deine Nähe, zu Deinen Füßen, in Deine Arme mich geführt – wie wäre mir dann das Loos so ganz anders gefallen! wie hättest Du mein konfuses, strudelndes Verhängniß lieblich und leise gelöst! wie hätte ich mit Dir so glücklich werden können! – Das ist Alles nicht wahr; wenigstens unter tausend Fällen nicht Einmal wahr; denn eine Bestimmungsliebe reißt doch allendlich über den Strudel der Hindernisse, Ketten, Gefahren und Schranken zwei Herren zu einander; ist sie dazu aber nicht mächtig und dauernd genug, so ist es ein Wahn in einen
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/163&oldid=- (Version vom 31.7.2018)