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„Gnädige Gräfin, sagte Dorothee nach einer kleinen Weile ins Krankenzimmer tretend, mein Bruder ist gekommen, ist Arzt .… er wünscht sehr die Nacht hier wachen zu dürfen. Darf er?“

„Das ist recht freundlich von ihm, liebe Dorothee,“ sagte Cornelie mit einem schwachen Lächeln.

Auf einen Wink seiner Schwester trat Leonor ein, grüßte Cornelie stumm und betrachtete stumm den kleinen Kranken. Dann ging er mit Dorotheen ins andre Zimmer zurück, dessen Thür geöfnet blieb.

Es herrschte lautlose Stille. Es war wie ein Lauschen auf den Schritt des Todes. Würde er sich nahen? würde er vorüber ziehen?

Leonor saß in tiefe Gedanken versenkt, den Kopf in die aufgestützte Hand gelegt, und sann über die Schicksale der Menschen nach, deren Wandelbarkeit sich ihm mit schauerlicher Lebendigkeit aufdrängte – schauerlich, durch die Nähe des Todes, welcher die alleinzige, unumstößliche und unbezweifelbare Gewißheit in all den wechselvollen Schicksalen ist. Vor sieben Jahren hatte er zum ersten Mal diese Frau gesehen, im vollen Glanz der Schönheit, der Jugend, des Reichthums, an der Seite ihres liebenswürdigen Gemals, von Dienern umgeben, aus ihrem Schloß tretend um ihr herrliches Reitpferd zu besteigen – er! damals ein blutarmer Student, der

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/152&oldid=- (Version vom 31.7.2018)