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Wesen war bis zu jener Stupidität gelähmt, welche die höchste Stufe ist, die man auf der Leiter der Seelenfolter erklimmen kann, und zu der nicht sowol der Schmerz als die Angst uns emporschleppt. Ganz stupid murmelte sie zuweilen vor sich hin:

„Wenn er doch käme! wenn er doch käme.“

Da hörte sie im Nebenzimmer leise gehen und sprechen. Sie stand auf um dem Arzt entgegen zu gehen, aber als sie die Thür öfnete war er es nicht, sondern Dorothee war es Hand in Hand mit einem Mann, den Cornelie sogleich als Leonor Brand erkannte. Sie trat zurück um die Geschwister nicht zu stören. Bald darauf kam der Arzt. Er fand Tristan höchst bedenklich und sagte:

„Nimmt das Fieber nach Mitternacht ab, so haben wir Hofnung das Kind zu retten; nimmt es zu – so wird es schwerlich den Morgen erleben.“

Dieser Ausspruch stimmte zu sehr mit Corneliens Ahnung zusammen um sie unvorbereitet zu treffen. Sie blickte nur unwillkürlich nach der Uhr: es war zehn. Also ungefähr sieben Stunden lagen vor ihr: wie kurz, für die Hofnung! aber in jeder Stunde sechzig Minuten: wie lang, für die Angst! Das wird eine Agonie werden! sprach sie nachdem der Arzt gegangen war, und nahm ihren Platz neben dem Kinde wieder ein.

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/151&oldid=- (Version vom 31.7.2018)