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Man kann deren Gaben und Mängel, deren Liebenswürdigkeiten und Thorheiten, deren Schönheit und Unvollkommenheit auch ins einunddreißigste Jahr und noch länger mit hinüber nehmen, aber – als geliehenes Gut, während es früher rechtmäßiges Eigenthum ist. Das macht einen enormen Unterschied: man fühlt sich nicht mehr unantastbar sicher im Besitz der Jugend, und darum liebt man ihn so sehr. Die großen Leidenschaften, die herzbrechenden Schicksale, die unerhörten Glücke, haben fast immer vor dem dreißigsten Jahr begonnen, so daß

die Frau welche sie bis dahin nicht kennen gelernt hat sie auch schwerlich kennen lernen wird; während die, welche sie mit sich bringt zuweilen den ganzen Ballast von Desolationen und Entzückungen in die entflohene erste Jugend zurückschleudern – und ach! zuweilen das ganze vorliegende Leben darum wegwerfen mögte, wenn sie dieselben in ihrer vollen Gewalt und Stärke fesseln könnte bis noch ein Jahr, ein einziges armseliges Jahr vorüber gerollt ist.

Cornelie sah auf ihr vergangenes Leben zurück und fand darin eine Liebe, eine Treue, eine Gesinnung die sie von Anfang bis zu Ende verfolgt, ausgebildet und festgehalten hatte; und fand sich in dem Bewußtsein zufrieden, so viel in ihrer Macht lag das Ideal ihrer Bestimmung, der

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/149&oldid=- (Version vom 31.7.2018)