nicht um die Eigensucht zu sänftigen, dem Recht die Starrheit, der Pflicht die Herbe zu nehmen – wenn nicht die Liebe wäre. Sie ist die ewige Versöhnerin der Menschheit, die sich unter ihrem Schirm von allen Kämpfen, Wunden und Narben ausruht, und aus allen Verpuppungen trüber und banger Schicksale als freudiger Schmetterling auffährt. Die Liebe macht das Herz fest, klar, muthig und treu; wer diese Eigenschaften durchgängig bei fremden und eigenen Schwankungen, in bittern Geduldsprüfungen, bei Sinnenfreuden wie Seelenmartern zu bewahren weiß; wer immer bereit ist die Rücksicht auf fremdes Recht als hochheilige Pflicht für sich zu achten; wer in jedem Opfer nur eine Genugthuung des innerlichsten Seelendranges, nur ein Auflodern des Herzens in seinen eigenen Flammen gewahrt, und daher nicht zu geben, sonder zu empfangen meint; wer beharrlich Zuversicht, Glauben und Vertrauen aufrecht hält ohne sich durch eine oder ein Paar böse Erfahrungen irre machen zu lassen, der liebt. So liebte ich; und wer so liebt ist selig. Diese Region liegt über derjenigen der innern Befriedigung, denn sie begreift diese in sich, und man kann aus ihr herab in diese steigen wenn auch die Seligkeit aufhört. Wodurch sie bei mir aufgehört hat? durch
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/111&oldid=- (Version vom 31.7.2018)