machen will, der gehe in die Wüste wo es überhaupt keine Menschen giebt.“
„In einem solchen Fall – so sagtest Du vor einem Jahr, Eustach! – würde ich den Liebhaber meiner Frau erschießen und sie verstoßen. Da ist also von Concessionen nicht die Rede! Auch ich begehre auf gleichem Fuß zu leben, und daß so sehr viele Frauen es nicht begehren, das eben macht ihre Stellung so jämmerlich“ .… –
„Aber sie behalten dafür die Tugenden ihres Geschlechts, Milde, Geduld, Nachgiebigkeit, Friedfertigkeit“ .… –
„Ja wol, Eustach! all die Tugenden die mit ihrer Schwäche zusammenhängen! Ich aber erkenne nur eine Tugend an, und das ist Energie: die Fähigkeit das ganze Wesen in dem Brennpunkt zusammenzufassen wo Sein und Thun Eins werden – so daß der Kern des Menschen die Wahrhaftigkeit ist. Halbheit ist immer kläglich und häufig verderblich.“
„O Cornelie! rief Eustach hingerissen, es ist aber nicht allen Menschen gegeben von einer solchen unerschütterlichen Tugend zu sein!“
„Vielleicht Keinem! sprach sie sanft. Darum aber sollte man nicht gute Eigenschaften, die im Naturel oder im Temperament liegen Tugenden nennen.“
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/094&oldid=- (Version vom 31.7.2018)