Schuld – es ist die Anordnung der Natur. Die Überzeugung, daß ich nur die Hand auszustrecken brauche um zu erlangen, läßt den Drang der Leidenschaft nicht aufkommen. Ich winke .… und Cornelie sinkt in meine Arme; so war es damals, so würde es jezt wieder sein. Ist das engelhaft oder erbärmlich? liegt es an der himmlischen Seele oder am heißen Blut? Gott wird es wissen, der die wunderbar geheimnißvoll gemischten Elemente der weiblichen Natur kennt. Haben wir aber einmal diese – wie soll ich sagen? himmlische Irdischkeit erprobt – dann weh! O weh dem armen Weibe! es kann uns noch rühren und zum Mitleid stimmen; aber nimmermehr unwiderstehlich beherrschen .… wie jene Circe, die mich zurückstößt .… – Ja, Mitleid hab ich zuweilen wirklich mit Cornelien! –
Es war nicht sowol Mitleid als geschmeichelte Eitelkeit, die ihm zuweilen zuflüsterte: daß er sich rühren lassen und der Frau zuwenden müsse, die mit einem solchen Herzensmuth und einer so reizenden Tapferkeit um seine Liebe werbe. Welch eine Selbstverleugnung, welch eine Tiefe der Empfindung, welch eine Welt von Großmuth und Treue in dem Benehmen dieser Frau lag, die sich zur Nebenbuhlerin ihrer Rivalin machte, um jedes Mittel
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/008&oldid=- (Version vom 18.8.2016)