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lassen sie sich nicht damit herab. Haben sie einem guten Jungen gründlich den Kopf verdreht, liegt er zu ihren Füßen schmachtend nach einem Kuß; so nennen sie diesen Kuß eine Todsünde, fühlen sich namenlos verletzt durch diese Brutalität, ergehen sich in Vorwürfen und Thränen, und sinken in ihre Wolke zurück mit der Vorstellung beschäftigt, ob es ihnen nicht möglich sei morgen eine ähnliche Szene herbei zu führen .… oder doch wenigstens übermorgen. Bei dieser Art und Weise kommt weder ihre Pflicht noch ihr Durst nach Emotion zu kurz. - Es klingt hart und grell, und daher übertrieben, was ich Dir sage. Bedenkst Du aber, daß ich einen inneren Zustand, der sich mit verschiedenen Abstufungen und Schwankungen durch ein Leben hinzieht, in zwei Minuten characterisirt habe, daß ich also das conzentriren mußte was durch ein Vierteljahrhundert ausgedehnt zum Vorschein kommt: so wirst Du sagen müssen, es sei Alles ganz wahr und mein Urtheil über Aurora sei ganz richtig. Welch eine allendliche Richtung zuletzt ein solcher Character einschlägt, ob das Gefühl der Pflicht oder der Durst nach Emotion in ihm die Oberhand gewinnt, oder ob er durch letztere hindurch wieder in den Takt der ersten sich hineinfinde! - was der gewöhnlichste Fall ist - das hängt vom Temperament ab.“

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/051&oldid=- (Version vom 31.7.2018)