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Die Beratungen mit Schneiderinnen, Putzmacherinnen und Coiffeuren waren eine Aufgabe, so recht nach Tante Sonjas Sinn, und Papa hatte ihr ja Carte blanche gegeben. Vor allem galt es, die russische Tracht mit den herabhängenden Ärmeln und dem langen Schleier zu beschaffen, denn Kaiser Nikolai hatte sie seit einigen Jahren für die Hoffeste vorgeschrieben. Vorschriften gab es im Petersburg Nikolais ja für alles, auch für die Vergnügungen; und die Herren durften weder bunte Westen noch farbige Krawatten tragen. Solche Einschränkungen persönlichen Beliebens ließen die in baltischer Selbstherrlichkeit aufgewachsene Dorothee gar sehr erstaunen.

Allen Freunden Tante Sonjas, den vielen Verwandten, die sie durch ihren verstorbenen Mann in der russischen Gesellschaft besaß, wurde Dorothee vorgestellt, und da lernte sie denn Leute ganz anderer Wesensart kennen, als die Menschen daheim waren. Viel biegsamer und schmiegsamer die reizvollen Frauen in den oft gewechselten Gewändern und die jungen und alten Herren in den glänzenden Uniformen, viel gewandter und bereiter, durch schmeichelnde Worte und bewundernde Blicke ihr Wohlgefallen auszudrücken. Denn bewundert wurde Dorothee, und Tante Sonja, die in den Triumphen der Nichte die einstmaligen eigenen wieder zu erleben glaubte, konnte den Eltern, nach dem stillen winterlich verschneiten Burkahnen, bald schreiben: „Alle Welt ist von Eurer Tochter scharmieret. Seine Majestät selbst haben geruht de lui faire des compliments.“

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/92&oldid=- (Version vom 31.7.2018)