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Bescherenden in den Lazaretten der Großstädte wußte, von der Gegenwart irgendeiner hochgestellten Persönlichkeit erst die wahre Weihe zu erwarten.

Und dann waren auch bald Briefe gekommen vom Marineenkel, der den Weihnachtsabend auf der See verlebt hatte, von dem jüngsten, der aus einem Schützengraben in Flandern schrieb, wo er mit seinen Kameraden nun schon lange, statt zu Pferde, tief in der Erde dem Vaterlande diente. Aber er teilte Großmama auch schon mit, daß er sich zum Flieger gemeldet habe, denn die Sehnsucht hinauf in die Lüfte war eben doch zu stark in ihm, und die anfängliche Sorge, er könne durch die Dauer der Ausbildungszeit für Kampf und Sieg zu spät kommen, war ja längst verstummt.

Denn daß es ein langer Krieg werden würde, daß man vielleicht grimmer Not entgegenging, war allmählich allen zum Bewußtsein gekommen. Aber auch diese Möglichkeiten wurden in den kleinen Landgemeinden ruhiger als in den großen Mittelpunkten hingenommen. Wo man der nährenden Mutter Erde so nahe war und sich jahraus jahrein mit der Hervorbringung und Bergung ihrer Erzeugnisse beschäftigte, schien Aushungerung eine unsinnige Drohung. Und es lag auch darin eine beruhigende Sicherheit, daß jeder jeden am Orte kannte; wenn es einem schlecht ging, würden sich stets andere finden, die aushalfen – und für äußerste Fälle waren ja von jeher die alte Frau Gräfin auf dem Schlosse, der alte Herr Pastor im Pfarrhause zu finden gewesen. Daß jemand unbemerkt zu Tode darbte, war hier undenkbar.

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/52&oldid=- (Version vom 31.7.2018)