weitergeführt werden. So wurden im Garten noch die letzten Stachelbeeren und Himbeeren, wurden schon frühe Pflaumen und Pfirsiche gepflückt; in der Küche weckte Mamsell das viele Obst und Gemüse in unzähligen Gläsern ein; vom Schloßgarten herabschauend ins Tal sah man das Beginnen der Ernte in den wogenden goldenen Feldern. All dies Tun schien genau so, wie Großmama es in all den vielen Jahren um diese Zeit zu sehen gewohnt gewesen und so unendlich friedlich, daß sie dabei jetzt manchmal plötzlich von dem Gedanken erfaßt wurde: Es ist ja gar nicht Krieg, es ist nicht wahr, es kann nicht wahr sein! Die Empfindung des Traumhaften, Unwirklichen begleitete sie in dieser ganzen ersten Zeit, und sie versuchte sich wachzurütteln, um endlich den furchtbaren Alp abzutun – bis dann schließlich auch das Grausigste ins Bewußtsein überging und Gewohnheit wurde.
Siegeskunden kamen geflogen. Siegesfahnen wehten. Wehten oben auf dem Schloß wie unten im Dorfe. Aber nicht nur frohe Botschaften tönten wie jubelnde Fanfaren durchs lauschende Land, auch düstere Trauernachrichten kamen geschlichen. Brachten ihr Leid ins Dorf, brachten es auch hinauf in das Schloß. Bei einem Patrouillenritt, zu dem er sich freiwillig gemeldet, war der älteste der Enkel gefallen. Ruhte nun fern in Feindesland. Mitten im ersten großen Siegeslauf, dem die ganze Welt in atemloser Spannung folgte, war er geblieben. Etwas Sieghaft-Frohes hatte immer in seinem Wesen gelegen – so war auch sein Tod gewesen. Kein Schatten möglicher Umkehr im Angesicht
Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/33&oldid=- (Version vom 31.7.2018)