Krücke ein weißes Porzellanmäuschen bildete. Und sie erzählte gerade dem fremden Herrn von der Orgel.
„Nach dem Dreißigjährigen Krieg hat das Schloß lange verwüstet dagestanden,“ sagte sie, „aber später, als von Versailles aus über Dresden die Baulust alle hiesigen großen und kleinen Herren ergriff, da hat der damalige Besitzer das Schloß mit der Kapelle neu hergestellt, und die Orgel ließ er von dem berühmten Johann Gottfried Silbermann erbauen.“
„Ja, ja,“ sagte der fremde Herr mit pfiffigem Schmunzeln, „das waren noch prunkhaft heitere Zeiten. Und der damalige Besitzer soll ja auch ein prachtliebender, ausgelassener Herr gewesen sein.“
„Aber die Kirche und die Orgel hat er doch zur Ehre Gottes bauen lassen,“ warf der alte Pastor ein, dessen freundliche Augen stets die löblichen Seiten an Menschen und Dingen zu sehen wußten.
„Ob er das wirklich zur Ehre Gottes getan?“ sagte Großmama, und ihre Augen sahen forschend unter den weißen Brauen hervor. „Ich denke mir eher, er wollte eine schönere Kirche als all die Nachbarschlösser haben, und es geschah daher mehr zur eigenen als zur Ehre Gottes.“
„Vielleicht muß man schon froh sein, wenn beide zusammentreffen,“ meinte der alte Pastor sanft.
Doch nun gewahrte der fremde Herr die drei Enkel, die mit großen Augen eifrig lauschend in dem hellen Viereck standen, das das Sonnenlicht durch die offene Tür auf den Steinboden der Kirche warf. „Oh, was für reizende Kinder!“ rief er. „Als ob die Engelchen
Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)