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Aber sogar diese letzte Lockung vermochte nicht, Dorothee zu dem erwünschten sofortigen Jawort zu bewegen. Und so mußte sich denn Tante Sonja bequemen, die Nichte heimzubegleiten.

Vor der Abreise fand eine Unterredung mit Ercole statt. In hellblauem Frack und lila Weste war er gekommen, die Krawatte kunstvoll mit kostbaren Nadeln gehalten. Die Taille beinahe so dünn, wie die der Dame seines Herzens selbst. So saß er in Tante Sonjas Salon Dorothee gegenüber. In den im Schoß gefaltenen Händen hielt sie das Sträußchen, mit Seidenmanschette und Filigranhalter, das er ihr überreicht hatte, und sie lauschte mit sittsam gesenkten Lidern, wie er ihr noch einmal sagte, daß er keinen sehnlicheren Wunsch kenne, als sich und alles, was er sei und habe, ihr zu Füßen zu legen. Dabei glitten seine dunkeln Blicke voll leidenschaftlicher Bewunderung über ihr feines Gesicht, über ihre Gestalt in dem bauschenden Rock, auf den die Enden eines pucefarbenen Gürtels fielen. In Petersburg wollte Ercole der endgültigen Antwort Dorothees harren. „Erlösen Sie mich rasch, Contessina Dorothea,“ bat er, „gestatten Sie mir bald, Ihnen in das Haus Ihrer Eltern nachzueilen und Sie in meine Heimat zu führen. Ich will ja Ihr Leben zu einem einzigen Fest machen. Es soll schön werden – oh, so schön!“ Und Dorothee hatte darauf mit einem wehmütigen Lächeln und einem schüchternen Augenaufschlag geantwortet: „Seien Sie versichert, Marchese Ercole, daß, wenn ich fühle, daß ich es darf, meine Antwort gern ein Ja sein soll.“

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/100&oldid=- (Version vom 8.12.2022)