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jaren vil geferts und wesens im stift [1119] zu Lindow gehapt, sonderlichen aber hat es schönen frawen darin, als eine von Reischach und andere, denen zu gefallen der kaiser vil dahin kam. Einsmals raist er von Bregenz herab geen

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Lindow mit wenig gesünds, und dieweil er aber sich daselbst nit vil gescheften oder hendel wolt beladen, hat er über drei oder vier secretarios nit mit sich genommen. Dieselbigen gueten menner haben auch begert, ein leubertag zu haben, zu gleich wie ir herr, der kaiser, und haben ein

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guet mal in ir herbrig bestelt, auch zum schlafftrunk ein metzle berüeft. Die ist zu inen kommen und hat inen uf dem rabbögle gespilt. Wie aber dieselb des kaisers guldin secretinsigel ersehen, das die secretarii nit zum bösten verwart, hat sie ir selbs auch nit vergessen und das insigel

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gestolen. Des morgens früe ist sie ufgestanden, hat von inen abscheiden wellen, iedoch zuvor das sigel auch der gestalt in leib geschoben oder zu ir gedruckt, wie ein pessarium, und ist aber ir darbei sovil weil nit worden, das sie das kettenlin und den guldinen ring daran, wie man

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etwan die sigel macht, auch het mit dem sigel kinden verbergen, sonder dasselbig ist schier eins halben fingers lang für den leib herauß lampendt gehangen. Indess kompt dem kaiser unversehendt ein gescheft, und schickt der Sernetiner eilendts nach dem sigel. Wer erschrack übler, dann die

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secretarii, da sie das sigel nit fanden? Die huer markt den bossen, wo es hinauß wolt, und begert darvon. Das macht sie erst argwönig, derhalben erwüscht sie einer beim arm, sprechendt: »Wer wolts sonst haben? die huor hats gestolen.« Sie wainet und gehueb sich übel, versprach sich,

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so böst sie mocht, aber es wolt nit helfen. Sie wardt abzogen aller nackendt, das hembd und alle ire claider warden zum fleißigesten ersucht. Do sie nichs fanden, erschracken sie über alle masen, dann inen das leben darauf stande. Ongeferdt wie sie also nackendt und wainendt vor inen

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stande, drehet sie einer herumb in eim unmut und sprücht: »Nun sag an, wo hast dus hinbehalten?« In solchem umbherdrehen ersicht ein anderer schreiber das guldin ketenlin und den ring daran. Der ist nit unbehendt, erwüscht das kettenlin und das ringlin und zeucht von kreften. Do sprach

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herr Walther von Geroltsegk, der schreiber hete das sigel den braiten weg herauß gezogen; das het nit anders gedönet, als so man ein büchsen mit eim wischer gefegt. Was


Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band IV. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1882, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_4_207.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)