Seite:De Zimmerische Chronik 3 199.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


der ganzen stat mit eim pfeifle gangen, dasselbig an den mundt genommen und gepfiffen. Alsbaldt haben sich alle ratzen der ganzen statt ußer allen heusern versamlet und haufechtig mit ungleublicher anzall im uf dem fueß

5

nachgelofen für die stat. Da hat er sie in den nechst beiligenden berg verbannet, und volgends kein ratz mehr in der stat gespeurt, noch gemerkt worden. Also hat er das versprochen gelt an sie, wie er dann mit inen überkommen, erfordert. Dessen haben sie sich gespert und gewidert,

10

gleichwol sie im der abrede gestendig gewesen, haben aber doch vermaint, seitmals im nit vil mühe oder costen darauf gelofen, sonder hab die sach geschwindt, ohne alle arbait oder sonderliche kunst verricht, sollt er sovil nit begeren, sonder ains zimlichen sich beniegen lasen und ein wenigers

15

nemen. Es wolt aber der frembdt man sich von seiner vorderung nit weisen lasen und beharret uf dem, wie sie mit im überkommen und im versprochen hetten; dann wo sie das nit thuen, würde der rewen hernach, aber villeucht zu spat, volgen, und gern würden wellen, sie hetten ine

20

seiner vorderung zufriden gestellt. Die burgerschaft aber beharret uf dem, das es gar zu vil were, und wolten im nit mehr geben. Also wie er sahe, das er bei ine nichs erhalten, gieng er wieder durch alle gassen der statt mit seinem pfeifle, wie vor; da sein im mertails der jungen

25

kindt under acht oder neun jaren, die geen haben kinden, knaben und medlin, uf dem fueß nachgevolgt für die stat zum nechsten berg. Derselbig hat sich wunderbarlich gegen inen ufgethon, und ist also so der unerkant man mit den kinden in den berg gangen. Der hat sich gleich wider

30

beschlossen, und fürter ist weder der man oder die kinder nimmer mer gesehen worden. Wiewol nun damaln ein groser jammer in der ganzen stat entstanden, so haben sie doch der sach weiter nit thuon kinden, sonder dem allmechtigen bevelchen müeßen und irer aignen dorhait und

35

karkhait vil mehr, dann dem unfahl, die schuldt geben müesen. Diser wunderbarlichen geschicht zu ewiger gedechtnus schreibt iezermelte stat in allen iren briefen am datum nach Christi gepurt die rechten jarzall, daran henken sie aber »und nach verlierung unserer kinder in dem oder dem

40

jar.« Es ist dises schreibens sich im datum der stat Hammel[1]


  1. Hammel] über diese sage vom rattenfänger in Hameln s. Spangenberg, Neues vaterländisches Archiv 1827, II, s. 262; weitere literatur verzeichnet Liebrecht, Germania XIV, 398; erwähnt seien noch: Martini Schookii Fabula Hamelensis-Groningae 1622. 12°; Samuel Erich, Exodus Hamelensis: Das ist, Der Hämelischen Kinder Außgang, 1690. 8°; Theodori Kirchmayeri Curiöse Historia Von dem Unglücklichen Ausgange der Hamelischen Kinder. Dresden und Leipzig, 1702. 8°. WS: Das Wort Hammel und die Fußnote, die auf der nächsten Seite fortgesetzt wurden, sind hier vervollständigt.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band III. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1881, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_3_199.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)