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von dieser die Vertraute, die weinende Rose d)[1] u. f. Ohne Zweifel ist die letzte Art, die in Einem und demselben Gegenstande ein Zwiefaches entwickelt, feiner als die andre, bei der das Epigramm gleich von Anfang an auf den doppelten Gegenstand gerichtet werden mußte, denn da sich hier die neue Eigenschaft nur in der Mitte oder gegen das Ende entwickelt, so tritt sie ungesuchter hervor und führet einen Ausgang herbei, der eben so unerwartet, lieblich befriedigt. Die Pointe dieser Art wird kein reizender Stachel, kein Funke, der aus hartem Stahl springt, wie Werneke die Pointe seiner Ueberschriften nannte; vielmehr windet sich das Epigramm wie ein Kränzchen umher, in dem uns der Dichter zuletzt eine vor unsern Augen hervorsprießende Rose zeiget; oder es nähert sich sogar, wenn es Empfindung zu sagen hat, dem erquickenden Ton eines Liedes.


  1. d) Th. 1. S. 42. 63.
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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_135.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)