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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

zu befragen, ihm zu danken; sie ließ ihre Kinder herbeibringen und zeigte ihnen den hochherzigen Jüngling, dem ihre Mutter so unendlich viel verdankte, und die Kleinen faßten seine Hände, und der zarte Sinn ihres kindlichen Dankes, ihre Versicherungen, daß er ihnen nach Vater und Mutter auf der ganzen Erde der Liebste sei, waren ihm die schönste Entschädigung für manchen Kummer, für die schlaflosen Nächte in der Hütte der Räuber.

Als die ersten Momente dieses frohen Wiedersehens vorüber waren, winkte die Gräfin einem Diener, welcher bald darauf jene Kleider und das wohlbekannte Ränzchen herbeibrachte, welche Felix der Gräfin in der Waldschenke überlassen hatte. „Hier ist alles“, sprach sie mit gütigem Lächeln, „was Ihr mir in jenen furchtbaren Augenblicken gegeben; es ist der Zauber, womit Ihr mich umhüllt habt, um meine Verfolger mit Blindheit zu schlagen. Es steht Euch wieder zu Diensten; doch will ich Euch den Vorschlag machen, diese Kleider, die ich zum Andenken an Euch aufbewahren möchte, mir zu überlassen und zum Tausch dafür die Summe anzunehmen, welche die Räuber zum Lösegeld für mich bestimmten.“

Felix erschrak über die Größe dieses Geschenks; sein edler Sinn stäubte sich, einen Lohn für das anzunehmen, was er aus freiem Willen getan. „Gnädige Gräfin!“ sprach er bewegt, „ich kann dies nicht annehmen. Die Kleider sollen Euer sein, wie Ihr es befehlet; jedoch die Summe, von der Ihr sprecht, kann ich nicht annehmen. Doch, weil ich weiß, daß Ihr mich durch irgend etwas belohnen wollet, so erhaltet mir Eure Gnade, statt andern Lohnes, und sollte ich in den Fall kommen, Eurer Hülfe zu bedürfen, so dürft Ihr darauf rechnen, daß ich Euch darum bitten werde.“ Noch lange drang man in den jungen Mann; aber nichts vermochte seinen Sinn zu ändern. Die Gräfin und ihr Gemahl gaben endlich nach, und schon wollte der Diener die Kleider und das Ränzchen wieder wegtragen, als Felix sich an das Geschmeide erinnerte, das er im Gefühl so freudiger Szenen ganz vergessen hatte.

„Halt!“ rief er. „Nur etwas müßt Ihr mir noch aus meinem Ränzchen zu nehmen erlauben, gnädige Frau; das übrige ist dann ganz und völlig Euer.“

„Schaltet nach Belieben“, sprach sie; „obgleich ich gerne [267] alles zu Eurem Gedächtnis behalten hätte, so nehmet nur, was Ihr etwa davon nicht entbehren wollet. Doch, wenn man fragen darf, was liegt Euch denn so sehr am Herzen, daß Ihr es mir nicht überlassen möget?“

Der Jüngling hatte während dieser Worte sein Ränzchen geöffnet und ein Kästchen von rotem Saffian herausgenommen. „Was mein ist, könnt Ihr alles haben“, erwiderte er lächelnd, „doch dies gehört meiner lieben Frau Pate; ich habe es selbst gefertigt und muß es ihr bringen. Es ist ein Schmuck, gnädige Frau“, fuhr er fort, indem er das Kästchen öffnete und ihr hinbot, „ein Schmuck, an welchem ich mich selbst versucht habe.“

Sie nahm das Kästchen; aber nachdem sie kaum einen Blick darauf geworfen, fuhr sie betroffen zurück.

„Wie! Diese Steine!“ rief sie. „Und für Eure Pate sind sie bestimmt, sagtet Ihr?“

„Jawohl“, antwortete Felix, „meine Frau Pate hat mir die Steine geschickt; ich habe sie gefaßt und bin auf dem Wege, sie selbst zu überbringen.“

Gerührt sah ihn die Gräfin an, Tränen drangen aus ihren Augen. „So bist du Felix Perner aus Nürnberg?“ rief sie.

„Jawohl! Aber woher wißt Ihr so schnell meinen Namen?“ fragte der Jüngling und sah sie bestürzt an.

„O wundervolle Fügung des Himmels!“ sprach sie gerührt zu ihrem staunenden Gemahl. „Das ist ja Felix, unser Patchen, der Sohn unserer Kammerfrau Sabine! Felix! Ich bin es ja, zu der du kommen wolltest; so hast du deine Pate gerettet, ohne es zu wissen.“

„Wie? Seid denn Ihr die Gräfin Sandau, die so viel an mir und meiner Mutter getan? Und dies ist Schloß Mayenburg, wohin ich wandern wollte? Wie danke ich dem gütigen Geschick, das mich so wunderbar mit Euch zusammentreffen ließ; so hab’ ich Euch doch durch die Tat, wenn auch in geringem Maß, meine große Dankbarkeit bezeugen können!“

„Du hast mehr an mir getan“, erwiderte sie, „als ich je an dir hätte tun können; doch so lange ich lebe, will ich dir zu zeigen suchen, wie unendlich viel wir alle dir schuldig sind. Mein Gatte soll dein Vater, meine Kinder deine Geschwister, ich selbst will deine treue Mutter sein, und dieser Schmuck, der dich zu mir führte

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig., Wien, 1891–1909, Seite 266–267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_134.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)