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ihn selbst rühren muß; er liebt dich doch nicht, du ihn nicht und bist unglücklich; er soll dich mir abtreten. Mein Haus liegt nicht so schön wie dieses Schloß; meine Güter kannst du vom Belvedere auf dem Dache übersehen. Du verließest hier großen Wohlstand, aber wenn du einzögest in mein Haus, wollte ich dir meine Hände als Teppich unterlegen, auf den Händen wollte ich dich tragen, du solltest die Königin sein in meinem Hause und ich dein erster, treuer Diener!“

Sie blickte schmerzlich zum Himmel auf, sie weinte heftiger. „Ach ja, wenn ich eine Ketzerin wäre und deines Glaubens, dann ginge es wohl, aber wir sind ja gut katholisch getraut worden, und das scheidet nur der Tod! O du großer Gott, wie unglücklich machen oft diese Gesetze! Welch eine Seligkeit mit dir, bei dir zu sein; immer für dich zu sorgen, an deinen Blicken zu hängen, und alle Tage dir durch zärtliche Liebe ein Tausendteil von dem heimzugeben, was du an meiner lieben Mutter und an mir gethan.“

„Also dennoch auf immer“, erwiderte er traurig, „also nur noch morgen, und dann für immer scheiden?“

„Für immer“, hauchte sie kaum hörbar, indem sie ihn fester an ihre Lippen schloß.

„Hier also findet man dich, du niederträchtige Metze!“ schrie in diesem Augenblick ein dritter, der neben dieser Gruppe stand. Sie sprangen erschreckt auf. Zitternd vor Zorn, knirschend vor Wut, stand der Baron, in der einen Hand ein Papier, in der andern die Reitpeitsche haltend, die er eben aufhob, um sie über den schönen Nacken der Unglücklichen herabschwirren zu lassen. Fröben fiel ihm in den Arm, entwand ihm mit Mühe die Peitsche und warf sie weit hinweg. „Ich bitte dich“, sagte er zu dem Wütenden, „nur hier keine Szene; deine Leute sind im Garten, du schändest dich und dein Haus durch einen solchen Auftritt.“

„Was?“ schrie jener, „ist mein Haus nicht schon genug geschändet durch diese niederträchtige Person, durch dieses Bettlerpack, das ich in meinem Haus hatte? Meinst du, ich kenne deine Handschrift nicht“, fuhr er fort, indem er ihr das Papier hinstreckte. „Das ist ja ein süßes Briefchen an den Herrn Galan hier, [369] an den Romanhelden. Also eine Dirne mußte ich heiraten, die du unterhieltst, und als du ihrer satt warest, sollte der ehrliche Faldner sie zur gnädigen Frau machen; dann kommt man nach sechs Monaten so zufällig zu Besuch, um den Hörnern des Gemahls noch einige Enden anzusetzen. Das sollst du mir bezahlen, Schandbube; aber dieses Bettelweib mag immer wieder mit Teller und Laterne sich am Pont des Arts aufstellen, oder von deinem Sündenlohn leben. Meine Knechte sollen sie mit Hetzpeitschen vom Hofe jagen!“


34.

Der Mann von gediegener Bildung hat in solchen Momenten ein entschiedenes Übergewicht über den Rohen, der, von Wut zur Unbesonnenheit hingerissen, unsicher ist, was er beginnen soll. Ein Blick auf Josephe, die bleich, zitternd, sprachlos auf der Moosbank saß, überzeugte Fröben, was hier zu thun sei. Er bot ihr den Arm und führte sie aus der Laube nach dem Schlosse. Wütend sah ihnen der Baron nach; er war im Begriff, seine Knechte zusammenzurufen, um seine Drohung zu erfüllen, aber die Furcht, seine Schande noch größer zu machen, hielt ihn ab. Er rannte hinauf in den Saal, wo Josephe auf dem Sofa lag, ihr weinendes Gesicht in den Kissen verbarg, wo Fröben wie gedankenlos am Fenster stand und hinausstarrte. Scheltend und fluchend rannte jener in dem Saal umher; er verfluchte sich, daß er sein Leben an eine solche Dirne gehängt habe. „Es müßte keine Gerechtigkeit mehr im Lande sein, wenn ich sie mir nicht vom Halse schaffte“, rief er; „sie hat Taufschein und alles fälschlich angegeben; sie hat sich für ebenbürtig ausgegeben, die Bettlerin, diese Ehe ist null und nichtig!“

„Das wird allerdings das vernünftigste sein“, unterbrach ihn Fröben; „es kommt nur darauf an, wie du es angreifst, um dich nicht noch mehr zu blamieren –“

„Ha, mein Herr!“ schrie der Baron in wildem Zorn, „Sie spotten noch über mich, nachdem Sie durch Ihre grenzenlose Frechheit all diese Schande über mich brachten? Folgen Sie mir, zu

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 368–369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_187.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)