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sie herzlich und wünschte ihr Glück zu ihrer Verbindung. „Aber dennoch, Kinderchen“, setzte sie hinzu und wollte freundlich aussehen, obgleich ihr das grüne Neidfeuer aus den Augen sprühte und ihr Mund krampfhaft zuckte, „dennoch weiß ich nicht, ob ihr ganz klug gethan habt. Idas Mutter war, soviel ich weiß, aus keinem alten Haus, und Sie selbst, Graf, müssen wissen, wie Ihr Oheim, der Minister, darüber denkt, wenigstens, soviel ich mir von ihm habe sagen lassen, wird er diese Verbindung nun und nimmermehr zugeben.“

Ida war ganz bleich geworden, sie dachte im Augenblick nicht daran, daß nur böslicher Wille und Neid die Gräfin so sprechen lasse, das Wasser schoß ihr in die Augen, sie warf einen bittenden, hilfesuchenden Blick auf Ladenstein und Martiniz; jener stand auf der Seite und sah ernst, beinahe höhnisch der Gräfin zu, Emil aber sagte ganz kalt und gelassen:

„Wissen Sie das so gewiß, gnädige Frau?“ Diese Gleichmut reizte sie noch mehr; eine hohe Röte flog über ihr Gesicht, die Augen strahlten noch tückischer: „Ja, ja, das weiß ich gewiß“, rief sie, „ein Freund Ihres Herrn Onkels, der Geheime Rat von Sorben, hat mir über diese Sache hinlänglich Licht gegeben, daß ich weiß, daß er diese Mesalliance nie genehmigen wird, Sie werden es sehen!“

„Und dennoch hat er sie genehmigt“, antwortete eine tiefe, feste Stimme hinter ihr. Erschrocken sah sie sich um: es war der alte Ladenstein, der sie mit einem höhnischen sprechenden Blick ansah; sie konnte seinen Blick nicht aushalten und maß ihn daher mit stolzem Lächeln, hinter das sie ihre Wut verbarg, von oben bis unten. „Das müßte doch sehr schnell gegangen sein“, sagte sie und schlug eine gellende Lache auf, „noch vor fünf Tagen lauteten die Nachrichten hierüber ganz anders, der Herr von Sorben sagt mir –“

„Er hat Sie belogen“, entgegnete der alte Herr ganz ruhig.

„Nein, das wird mir zu stark“, rief die hohe Dame gereizt, „von einem Mann wie Herr von Sorben bitte ich in andern Ausdrücken zu sprechen; wie können Sie wissen, was der alte Herr von Martiniz –“

[205] „Er steht vor Ihnen, gnädige Gräfin“, sagte der alte Herr und beugte sich tief, „ich heiße, mit Ihrer Erlaubnis, Dagobert Graf von Ladenstein-Martiniz.“

Ehe er noch ausgesprochen hatte, lag Ida an der besternten Brust des Oheims, vergoß Thränen der Freude und der Wonne und suchte vergeblich nach Worten, ihr Entzücken auszusprechen. Die Gräfin stand da, wie zu einer Säule versteinert, doch hatte sie, sobald sie wieder Atem hatte, auch Fassung genug, zu sprechen; so freundlich und herablassend als möglich wandte sie sich an das junge Paar: „Nun, da wünsche ich doppelt Glück, daß ich mich geirrt habe. Hätte es Seiner Exzellenz früher gefallen, seine Maske abzunehmen, so würde ich Ihr Glück auch nicht auf einen Augenblick gestört haben.“

Sie ging, von außen ein Engel, im Herzen eine Furie; sie wünschte in ihrem wutkochenden Herzen alles Unglück auf das Haupt der unschuldigen Ida. Wütend kam sie zu der Sorben, die mit Frau von Schulderoff in einer Fenstervertiefung bei einem Glas Punsch sich von dem Schrecken erholte, der ihr in alle Glieder gefahren war. „An allem Unheil ist Ihr sauberer Herr Onkel schuld, Fräulein Sorben“, rief die Wütende, „warum hat er uns mit falschen Nachrichten bedient, warum hat er uns nichts gesagt, daß der alte Narr hier herumspukt unter falschem Namen, oh, ich möchte –!“ Der orangefarbene Teint von Fräulein Sorben war ins Erdfahle übergegangen, sie hatte die stille Wut und machte sich hie und da nur durch ein unartikuliertes Kichern Luft, indem ihr das helle Thränenwasser in den Augen stand.

„Und keinen Hufen Landes sollen sie mir kaufen, das Polenpack! solange mein Oheim noch Herr im Land ist; nach ihrem Polen mögen sie ziehen, und das Affengesicht, den naseweisen, dürren Backfisch, mögen sie mitnehmen und dort meinetwegen für Geld sehen lassen!“

„Ach, das ist ja gerade das Unglück“, seufzte Frau von Schulderoff, „daß wir sie in der Nachbarschaft behalten; denken sich Exzellenz, wie der alte Narr sein Geld zum Fenster hinauswirft; zum Hochzeitgeschenk, erfahre ich soeben, hat er ihnen Groß-Lanzau und das freundliche nette Blauenstein gekauft!“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 204–205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_105.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)