Seite:De Wilhelm Hauff Bd 3 104.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

merklich als möglich ihre Neigung zu ihm gezeigt hatte, war zwei Tage gar nicht für sie sichtbar; sie wußte, daß er heute im Haus gewesen, und doch hatte er sie nicht besucht; der Rittmeister – der war ihr nun ganz unbegreiflich und sie war bitter böse auf ihn. Im ganzen war er ihr gleichgültig, denn ihre Neigungen waren sehr flüchtiger Natur, auch war ihr der Graf jetzt bei weitem interessanter, und sie gestand es sich selbst, sie hätte ein Wohlwollen zu ihm, das beinahe Liebe war – aber dennoch, sollte der Rittmeister noch immer der Cavalier servant sein, und dennoch konnte er es wagen, zwei Tage sich nicht mit einem Blick sehen zu lassen. Wenn er auf die Jagd geritten war, wie die übrigen Offiziere äußerten, so hätte er wenigstens ein Billet an sie hinterlassen können – aber sie wollte es ihm entgelten.

Der Arme; er lag gerade jetzt auf seinem Schmerzenslager und fluchte die fürchterlichsten Flüche, daß er sich jemals in die Dienste dieser Sirene begeben habe.



Die Braut.

Auch Ida fehlte noch in der Gesellschaft; nun, sie hatte wahrscheinlich noch manches für die Bewirtung zu sorgen und zu rüsten. Endlich – der Präsident hatte sich heimlicherweise weggeschlichen – endlich ging die Thüre auf, ein allgemeines Flüstern der Erwartung rauschte durch den Saal – herein trat ein großer, ältlicher Herr, in reicher, prächtiger Kleidung, mit Sternen und Orden besäet – wir kennen ihn schon – an seinem Arm ein holder, verschämter Engel voll Huld und Anmut, demütig und doch voll wunderbarer Majestät – Ida.

Aber wie das Mädchen heute geputzt war, das Blondenkleid, man hatte noch nichts so Feines, Zartes, Geschmackvolles gesehen. – Um den Schwanenhals ein Perlenschmuck, der, es waren scharfe Kenner in dem Saal, aber sie schwuren hoch und teuer, mit den fürchterlichsten Flüchen, „er sei unschätzbar und nicht in diesem Lande gekauft!“ Im zierlich geordneten Haar einen Solitär, die Gräfin hätte heulen mögen, daß sie den ihrigen hatte in der Residenz lassen müssen – er war in Kost und Logis bei Salomon [203] Moses Söhnen – und doch hätte er gegen dieses Wasser, gegen die funkensprühende Kraft dieses Steines verbleichen müssen! –

Hatten die Gäste schon dieses Paar mit weit aufgerissenen Augen angestarrt, so riskierten sie jetzt, vor Verwunderung den schwarzen Star zu bekommen, denn jetzt trat der Präsident ein, an der Hand führte er einen Jüngling hoch und schlank, in prachtvoller, pompöser Uniform, den Diamantorden auf der stolz gewölbten Brust, an der Seite einen mit flunkernden Steinen übersäeten Säbel, in der Hand seinen Kalpak, woran die Agraffe, ein Familienstück, von Kennern auf zweimalhunderttausend Thaler geschätzt wurde; der Präsident mit seinem strahlenden Jüngling trat näher – es war Emil.

Der Kreis der erstaunten Gäste öffnete sich – der Präsident empfing aus Ladensteins Hand sein Idchen, so trat er mit dem Pärchen in den Kreis – die Gräfin mochte ahnen, was vorging, denn sie schoß wütende Blicke auf die drei, ihr Busen flog auf und nieder; tief und bescheiden neigte sich Ida, das Engelskind, und errötete über und über, der Graf aber schaute fröhlich, stolz, mit seinem siegenden Glutblick im Kreise umher, der Präsident verbeugte sich und begann:

„Verehrten Freunde, ich habe Sie eingeladen, ein glückliches Ereignis meines Hauses mit mir zu begehen – meine Ida hat sich heute verlobt mit dem Grafen Emil von Martiniz.“ Von Anfang tiefe, tiefe Stille, man hätte eine Mücke können trappen hören – unwillkürlich flogen die Blicke der erstaunten Gäste nach der Gräfin, denn sie, sie mußte ja nach ihren Kalkülen die Braut sein, dann öffneten sich die Schleusen der Beredsamkeit, ein ungeheurer Strom von Gratulationen, gegenseitigen Lobpreisungen brach über die Dame, man hörte sein eigenes Wort nicht, so gingen wie in einer Windmühle, wenn der Nordost bläst, die Mäuler und Mäulchen.

Endlich fand auch die Gräfin Worte, sie hatte, das übersah sie mit einem Blick, das Schlachtfeld verloren. Jetzt galt es, sich geordnet zurückzuziehen und dem Feind, wo sie eine Blöße erspähen könnte, noch eine tüchtige Schlappe zu geben. Sie hatte schnell gefunden, was sie wollte. Sie eilte auf Ida zu, umarmte

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 202–203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_104.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)