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Hand und zog sie an seine Lippen. Endlich faßte er sich doch wieder, er wischte die Thränen hinweg, er war freundlich wie zuvor und fand auch die Sprache wieder.

„Ich will es ihm geben, dem alten Gesellen“, sagte er lächelnd, „ich kenne ihn so gut wie mich selbst und darf sagen, daß ich sein innigster, bester Freund bin; haben Sie keine Sorgen, Töchterchen, der Alte schlägt mit Freuden ein, aber das Bild da soll er haben, und wie ich ihn kenne, wird er es hoch anschlagen, es wird sein bestes Kabinettstück sein.“



Fortsetzung der Freier.

Sie wurden von Emil unterbrochen, der in stürmischer Eile Ladenstein zum Präsidenten hinabrief. Dieser ging und ließ die beiden allein. Emil sagte seinem Mädchen, daß der Papa durchaus nicht abgeneigt scheine, nur habe er bange, was der Hof dazu sagen werde; er für seinen Teil könne diese Bedenklichkeiten nicht begreifen, denn offenbar gehe es den Hof nicht im mindesten etwas an, wen er heiraten wolle. Ida konnte wohl ahnen, was ihr Vater unter diesen Bedenklichkeiten wegen des Hofes verstand, aber sie scheute sich, den Geliebten darüber zu belehren. Es wäre aber auch Sünde gewesen, ihn in seinem Glück zu stören; er saß so selig neben dem bräutlichen Mädchen, er war so trunken von Wonne und Glück, daß er nichts anderes mehr zu hören und zu denken schien als sie.

Man konnte aber auch nichts Holderes, Lieblicheres sehen als das Mädchen. Ihr Auge glänzte voll Liebe und Seligkeit, auf den Wangen lag das heilige Frührot der bräutlichen Scham, um den Mund spielte ein reizendes Lächeln, das bald Verlegenheit über den ihr so ungewohnten Stand einer Braut, bald Wonne und Freude verriet.

„Mein holdes, einziges, mein bräutliches Mädchen“, rief der glückliche Martiniz, nachdem er sie lange mit seinen trunkenen Blicken angeschaut hatte. „Mein lieber, guter Emil“, lispelte sie und sank in seine Arme und barg ihr tief errötendes Köpfchen an seiner Brust. Aber obgleich es ihm Freude machte, das Engelskind [197] so an sein treues Herz geschmiegt zu sehen, das schöne Haar mit seinen Ringellöckchen zu betrachten und in den herrlich gewölbten Nacken, so rein und weiß, so glänzend wie aus Wachs geformt, niederzublicken, so machte ihm doch die Kehrseite mehr Freude. Er faßte das Engelsköpfchen an dem sanften Kinn und hob es aufwärts, wie mild, wie treu blickten ihn diese Augen an, wie würzig wölbten sich die Purpurlippen ihm entgegen. Er schlang den Arm um den schlanken Leib, er preßte sie an sich und sog in langen, langen Küssen das süßeste Leben in sich ein.

Nein, wahrhaftig, so sonderbar war ihr in ihrem ganzem Leben nicht zu Mut gewesen wie in diesen Augenblicken; es prickelte und zuckte ihr durch alle Nerven, durch alle Glieder und Gliedchen bis hinaus in die Fingerspitzen, bis hinab in den großen Zehen; Es war ihr so wohl, so wonnig zu Mut, als sollte sie, aufgelöst in innige Liebe, vergehen. Sie wollte ihn ansehen, und hatte doch das Herz nicht dazu, sie wollte sich schämen, und schalt sich wieder aus über die Thorheit, denn es war ja ihr Bräutig–; nein, das fiel ihr eben siedendheiß ein, es war noch nicht ihr Bräutigam, Papa hatte ihm seine Einwilligung noch nicht zugesagt – es schickte sich doch nicht so recht, sie wandt sich verschämt aus seinen Armen, und wollte eben sagen, daß er doch ein wenig einhalten –

Da ging die Thüre auf, und mit freudestrahlendem Gesicht, den lächelnden Präsidenten an der Hand, schritt Ladenstein herein. „Ich gratuliere“, rief er, „der Herr Papa willigt ein.“ Ida flog an den Hals ihres Vaters; sie weinte, sie lachte in einem Atem, sie streichelte seine Wangen und küßte ihn und war ein so munteres, wöhliges Kind, als habe er ihr eine hübsche Puppe zum Weihnachten oder als Geburtstagsangebinde geschenkt.

Auch Emil war aufgestanden und zum Präsidenten getreten; er fragte ihn voll Freude, „ob es ihm erlaubt sei, ihn Vater zu nennen?“

Der Präsident lächelte und zeigte auf Ladenstein. „Nachdem, was seine Exzellenz Ihr Herr O–“ – ein Wink des alten Herrn machte, daß er sich schnell korrigierte – „was Herr von Ladenstein mir sagte, ist durchaus kein Zweifel mehr in mir, der dieser Verbindung entgegen wäre.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 196–197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_101.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)