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so komisch kam ihm des alten Gesellen Wüten vor: „Alter Narr!“ rief er endlich, „muß man dir denn die Nase draufstoßen und eine Brille aufsetzen, daß du findest, was du suchst? Kannst du dich denn nicht hinsetzen und die ganze Geschichte von den letzten vierzehn Tagen deinem alten Herrn schreiben und dabei einfließen lassen, daß dein Herr zum Sterben in das Mädchen verschammert sei? Und wenn der Herr Onkel das weiß, nun ja – das Fräulein ist von gutem Adel, ich sehe nicht ein, was für ein besonderes Hindernis –“

„Weiß Gott, so thu’ ich“, rief Brktzwisl und setzte vor Freuden den Respekt so ganz aus dem Auge, daß er einen Katzensprung in die Luft machte, „aber eines fehlt doch immer noch; mein Herr sollte nur erst mit dem Fräulein im reinen sein; aber geben Sie acht, geben Sie acht, der macht uns einen Streich! Er ist so blöde, so furchtsam –“

Wenn er es nur gewußt hätte, der alte Brktzwisl! Sein Herr saß, indem sein Diener von seiner Blödigkeit perorierte[WS 1], bei Ida auf dem Sofa, der Präsident, der nur so auf ein Viertelstündchen in seiner Tochter Boudoir eingesprochen hatte, neben ihm: Was es doch eine eigene freie Kunst um das Augenparlieren ist; da schwatzten jetzt die guten Leutchen ein langes und breites mit dem Herrn Papa von Bergen und liegenden Gründen, nebenher hielten sie sich die schönsten Reden durch verstohlene Blicke, mit einer Beredsamkeit, einem rednerischen Feuer, von dem selbst Cicero in seiner Rednerkunst keine Aufschlüsse gibt, und wovon auch kein Wörtchen weder in der Syntax der deutschen Sprachlehren noch in den verschiedenen Rhetoriken und ästhetischen Vorlesungen steht, die alljährlich von den Kathedern abgehaspelt werden. Der Präsident taute immer mehr auf, denn Martiniz sprach von einem bedeutenden Güterkauf, den er in hiesiger Gegend im Sinne habe, und der gute Präsident glaubte nicht anders, als seine Aufmunterungen haben den Grafen auf diesen vernünftigen Gedanken gebracht, und wenn er es vollends dazu bringen könnte, daß der Graf die Gräfin Aarstein – er gratulierte sich schon im voraus zu einem allergnädigsten Handschreiben, besah lächelnd seine Brust, wo nächstdem das Großkreuz des Zivil-Verdienstordens [129] paradieren werde, nannte Martiniz seinen neuen Landsmann und sein liebes Gräfchen und zog kichernd und schnalzend über seine vortrefflich gelungene Negoziation zum Zimmer hinaus.



Das Tête-à-Tête.

So lange er da war, war es dem Grafen und Ida ziemlich leicht zu Mut; zwar prickelte es beiden ein wenig ängstlich im Herzen, denn das Wiedersehen nach einem so wichtigen Moment, wie die gestrige Mitternacht war, führt immer eine kleine unabweisbare Verlegenheit mit sich; man ist nicht sicher, den Ton gleich wiederzufinden, in welchem man sich verlassen hat. Denn das ist keinem Zweifel unterworfen, daß man wie in jedem Gespräch, so auch in dem Flüstern der angehenden Liebe abends wärmer ist und in einer Viertelstunde weiter kommt, als den Morgen nachher, wo schon der Verstand mehr mit der Phantasie über die Haushaltung rechnet. Daher war es Martiniz auf den ersten Augenblick des Alleinseins mit Ida bange; er war so traulich von ihr geschieden, er hätte ihr gestern abend alles, alles sagen können, wovon sein Herz so voll war – und jetzt, jetzt hatte er wieder allen Mut verloren. Er hatte mit den ersten Damen von vier großen Reichen gescherzt und gelacht, ohne sich von den imposantesten Schönen verblüffen zu lassen – wo war sein Mut, seine Gewandtheit diesem Mädchen gegenüber. Es war aber auch unmöglich, bei dem Engelskind die Fassung zu behalten; – erfreute der herrliche Tannenwuchs, das Ungezwungene, Graziöse der Haltung das Auge, war man beinahe geblendet von dem Lilienschnee der Haut, von der jungfräulichen Pracht des Alabasterbusens, war man entzückt von dem Rosensamt der blühenden Wangen, von den zum Kuß geöffneten Korallenlippen, war man wunderbar bewegt von dem lieblichen Kontrast, den ihre brand-brand-brand-raben-raben-kohlen-tinten-schwarzen Ringellöckchen und orientalisch geschweiften Brauen mit den Cyanenaugen machten, war man hingerissen von dem Zauberlächeln, das die Grübchen in den Wangen, die Perlen hinter dem schöngeformten Mund zeigte, hätte man hinfliegen mögen, die zarte Taille

Anmerkungen (Wikisource)

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 128–129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_067.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)