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mag sehen, wie sie mit meinem Monsieur Thunichtgut auskommt.“

Der Traktat, der noch einige geheime Artikel enthielt, war gemacht und beschworen. Schon nach zwei Stunden ging eine Depesche von Fräulein von Sorben an ihren Onkel in die Residenz ab, worin mit bewunderungswürdiger Klarheit dargethan war, wie die Tochter des Präsidenten einen jungen Polen in ihre Netze zu ziehen suche, daß man schon von einer Heirat zwischen beiden spreche, und daß sie nur bedaure, daß dadurch der Residenz ein glänzendes Haus entzogen werde, denn Ida scheine darauf zu bestehen, daß der polnische Graf sich in Freilingen niederlasse.

Der Brief, das wußte sie, konnte seine Wirkung nicht verfehlen. Wenn auch der Oheim-Geheimerat nicht daran gedacht hätte, bei der eingeleiteten Heirat zwischen Martiniz und der Gräfin Aarstein seine Hand im Spiel zu haben, so hätte ihn doch der letzte Punkt des Briefes dazu vermocht, alles aufzubieten, um die Niederlassung des Grafen in Freilingen zu hintertreiben. Der Gedanke, daß ein großes Haus mehr in die Residenz kommen könnte, war begeisternd für ihn. Unter allen Sterblichen schätzte er die am höchsten, welche Häuser machten; darunter verstand er freilich nicht Zimmerleute oder Maurer, sondern die, welche ihm Schildkrötensuppen, fette Austern, feine Ragouts, gute fremde Weine vorsetzten, die, welche regelmäßig einmal des Abends Thüren und Thore öffneten, um frohe Gäste bei sich zu sehen, hohe Spiele arrangierten, köstliche Bälle zu geben wußten. Solche Häusermacher liebte der alte Sorben, denn er war ein altes Weltkind und ein feiner Schmecker aller Delicen, sie mochten tot oder lebendig, vier- oder zweifüßig sein, mochten dem Gaumen oder der Nase, dem Ohre, dem Auge oder dem Tastsinne schmeicheln – er war ein Kenner, und daher mußte es in seinen Wünschen liegen, ein Dreimillionen-Gräfchen in die Residenz zu bekommen.

So hatte ihn seine gewandte Nichte, ohne daß er es merkte, bei allen fünf Sinnen zumal, nur durch ein paar kleine Worte gefaßt, und sie durfte überzeugt sein, er fange Feuer.

Aus dem Freiherrlich Schulderoffschen Palais, das für jetzt, in Ermangelung eines besseren, nur aus einigen Mansardenstübchen [97] bestand, lief ein Brief ab, der keinen geringeren Hagelslärm, kein schwächeres Hallo in die Residenz machen sollte, als die zwanzig Trompeter letzthin, als sie die Reveille vor Idas Fenster bliesen. Er war an Se. Freiherrliche Gnaden, den Herrn Rittmeister von Sporeneck, bei Husaren Nr. 3, überschrieben und lautete wie folgt:

„Freilingen, 11. Dez. 1825.

 Herr Bruder!

In meiner Garnison dahier geht es eigentlich noch immer so ledern zu wie vordem. Das halbe Dutzend Reitpeitschen habe ich erhalten und sende hier den Betrag. Sie sind recht schwank[WS 1] und sehen flott genug aus. Den Säbel erwarte ich noch bestimmt vor Neujahr; vergiß nicht, daß der Korb, wie bei den badischen Dragonern, doppelt sei. Dahier hat sich vor kurzem auch etwas zugetragen, was Dir, Herr Bruder, vielleicht auch interessiert; die junge Sanden ist mit einem Galan hier angekommen, der ihr jetzt täglich und stündlich die Kour schneidet. Begreife übrigens nicht, wie sie dazu kommt, da man hier allgemein sagt, sie habe Dich sehr schnöde abgewiesen. Auf Ehre, Herr Bruder! es thut mir leid, aber ein Kerl wie Du, der seine vierundzwanzig Liebschaften des Monats hat, sollte nicht so von sich sprechen lassen. Solltest Du wegen dieser Affaire, was ich fürs beste hielte, selbst einige Wörtchen entweder mit dem neuen Kurtisan[WS 2] oder mit dem Fräulein selbst sprechen wollen, so steht Dir mein Logis zu Dienst. Der junge Herr ist ein Pole, Graf von Martiniz, soll schwer Geld haben und scheint meines Erachtens der angeführte Teil, denn sie hat ihn in der Kuppel, daß er weder links noch rechts kann. Lebe wohl; grüße alle Kameraden bei Nr. 1, 2 und 3 und verbleibe in Bruderliebe dein

Franz von Schulderoff, 
Lieutenant bei Königin-Dragoner.“

Dies war das Schreiben, womit die Frau von Schulderoff den Rachegeist für Ida beschwörte. Noch war des guten, unschuldigen Kindes Himmel rein und heiter, aber indem es in das reine Blau des Äthers hineinsah und sich dessen freute, zog Wolke um Wolke am Horizont auf und drohte ihr stilles Glück zu suchen und zu zerschmettern.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Dünn, schlank und biegsam.
  2. Höfling, Liebhaber.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 96–97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_051.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)