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‚Ich habe einen Kapitän West flüchtig kennen gelernt‘, gab ich ihm zur Antwort.

Nun, so flüchtig müsse es doch nicht sein, entgegnete er mir, da ich ein Duell mit ihm gehabt.

Ich sagte ihm, daß ich Streit mit ihm gehabt wegen einer ziemlich gleichgültigen Sache; es sei aber alles gütlich beigelegt worden. Dennoch war es mir auffallend, woher der Gesandte diesen Streit erfahren hatte, den ich so geheim als möglich hielt, und von welchem Luise in seinem Hause gewiß nichts erwähnt hatte.

‚Wegen einer Dame haben Sie Streit gehabt‘; sagte er; ‚doch möchte ich Ihnen raten, solche Händel wegen einer so zweideutigen Person zu vermeiden. Sie wissen selbst, wenn man einmal einen öffentlichen, besonders einen diplomatischen Charakter hat, ist dergleichen in einem fremden Lande wegen der Folgen für beide Teile fatal.‘

Der Ton, worin dies gesagt wurde, fiel mir auf. Er war sehr ernst, sehr warnend; noch schmerzlicher berührte mich, was er über jene Dame sagte, ‚zweideutige Person!‘ Und doch saß gerade diese Person als Krone der Gesellschaft in seinem Salon, er selbst, ich hatte es deutlich gesehen, er selbst hatte noch vor einer halben Stunde mit ihr auf eine Art gesprochen, die mich in dem alten Herrn einen aufrichtigen Bewunderer ihrer Reize und ihres glänzenden Verstandes sehen ließ. Ich konnte eine Bemerkung hierüber nicht unterdrücken, ich bat ihn höflich, aber so fest als möglich, in meiner Gegenwart nicht mehr so von einer Dame zu sprechen, die ich achte und die einen so entschiedenen Rang in der Gesellschaft einnehme. Ich wolle davon gar nicht reden, daß er selbst sein Haus beschimpfe, wenn er in solchen Ausdrücken von seinen Gästen spreche.

Er sah mich verwundert an; er sagte mir, er könne meine Reden nicht begreifen, denn weder behaupte die Dame einen Rang in der Gesellschaft, die er sehe, noch habe sie je einen Fuß über seine Schwelle gesetzt. Die Reihe zu erstaunen war jetzt an mir; ich sah, daß hier ein Irrtum vorwalte, und belehrte ihn, daß Fräulein von Palden die Dame sei, um die wir uns schlagen [373] wollten. ‚Verzeihen Sie‘, rief er, ‚man sagt mir, Sie haben sich wegen der Geliebten dieses Kapitän West geschlagen, daher glaubte ich Ihnen dies sagen zu müssen.‘

‚Und wenn dies nun dennoch wäre?‘ fragte ich: ‚Kennen Sie denn die Geliebte des Kapitän?‘

‚Gott soll mich bewahren‘, entgegnete er. ‚Nein, ich glaube, er hat schon selbst genug an seiner Portugiesin.‘

Ich staunte von neuem. ‚Von einer Portugiesin sprechen Sie? Wie kommen Sie nur darauf? Ich weiß bestimmt, daß der Kapitän eine deutsche Dame liebt.‘

‚Um so schlimmer für das arme Kind in Deutschland‘, war seine Antwort; ‚wie die Sachen stehen, scheint man im Lateran ernstlich daran zu denken, den goldenen Quadrupeln der schönen Donna Gehör zu geben und ihre frühere Ehe, weil sie nicht ganz gültig vollzogen war, für nichtig zu erklären. Der Kapitän macht eine gute Partie, aber – jeder Mann von Ehre wird diesen Schritt mißbilligen.‘

Ich stand wie vom Donner gerührt vor dem alten Mann; entweder lag hier eine Verwechslung der Namen und Personen zu Grunde, oder es war ein schreckliches Geheimnis und der Kapitän ein Betrüger, der Luisens Glück vielleicht auf ewig zerstört hatte.

Ich sagte dem Gesandten geradezu, daß er mit mir über Dinge spreche, die mir völlig unbekannt seien. Er staunte, doch glaubte er, da er schon so viel gesagt hatte, mir die weitere Erklärung dieser Rätsel schuldig zu sein. ‚Dieser Kapitän West ist ein Sachse‘, erzählte er; ‚er diente früher im Generalstab, und wurde dann zu einer diplomatischen Sendung nach Spanien verwandt; er soll ein Mann von vielen Talenten, aber etwas zweideutigem Charakter sein. Warum die Wahl gerade auf ihn fiel, da noch ältere Leute und aus guten Häusern im Departement waren, ist mir unbekannt; nur so viel erfuhr ich zufällig, daß man ihn damals von Dresden habe entfernen wollen. Man erzählt sich, er habe in Madrid in einem Verhältnis zu einer schönen jungen Frau gelebt; sie war eine Spanierin, aber an einen alten Engländer verheiratet, der sie vielleicht nicht so strenge unter

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 372–373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_188.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)